Auszeichnung : Takis Würger gewinnt Euregio-Schüler-Literaturpreis
Update Aachen Für seinen Roman „Stella“ erhält Takis Würger den 21. Euregio-Schüler-Literaturpreis. Schülerinnen und Schüler aus den Niederlanden, Deutschland und Belgien haben jetzt für das umstrittene Buch gestimmt.
Der Berliner Journalist Takis Würger ist Träger des 21. Euregio-Schüler-Literaturpreises. Würger, der am Donnerstag Abend nach dem Votum der Schülerschaft online aus Berlin zugeschaltet war, zeigte sich sichtlich bewegt von der Auszeichnung. Vor allem, weil der Roman „Stella“ 2019 nach Erscheinen in Deutschland eine heftige Literaturdebatte ausgelöst hatte. „Dieser Preis bedeutet mir sehr viel“, sagte Würger. „Und ich bin den Schülerinnen und Schülern sehr dankbar, dass sie mich damit auszeichnen. Besonders weil „Stella“ sehr viel diskutiert wurde und viel Kritik erhalten hat, ist es für mich schön und rührend zu erfahren, dass eine unabhängige Jury von mehreren hundert Schülern diesen Roman für preiswürdig hält“, sagte der Autor nach der Abstimmung.
Nominiert waren neben Takis Würger: die Französinnen Delphine de Vigan mit ihrem Bestseller „Loyalitäten“ (Dumont), Leila Slimani mit „Das Land der Anderen“ (Luchterhand), die beiden niederländischen Autoren Toine Heijmans mit seinem Roman „Pristina“ (Edition Amikejo) und Tommy Wieringa mit „Die heilige Rita“ (Hanser) sowie die Österreicherin Monika Helfer mit ihrem Buch „Die Bagage“ (Hanser).
Der Roman „Stella“ handelt von einer Liebe in Berlin im Jahr 1942, als sich der Kunststudent Friedrich in Kristin verliebt. Was er nicht weiß, ist, dass Kristin eigentlich Stella heißt und als Jüdin andere Juden an die Nazis verrät. Eine „Greiferin“, die versteckte Juden aufspürte und auslieferte. Die fiktionale Geschichte basiert auf der realen Figur der Stella Goldschlag.
Viel Kritik aus den Feuilletons
Als der Roman 2019 in Deutschland erschien, spaltete er die Literaturkritik in einer Heftigkeit, die sie seit Marcel Reich-Ranicki eigentlich nicht mehr gekannt hatte. Paul Jandl nannte das Buch in der Neuen Zürcher Zeitung „Holocaustkitsch“. Jan Wiele bezeichnet „Stella“ in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als „Schund und Tiefpunkt des Hanser Verlags“. Fabian Wolff von der Süddeutschen Zeitung ging besonders hart mit Würger ins Gericht und warf dem Autor mangelndes Problembewusstsein für Literatur, Literarisierung und Geschichte vor: „Je nach Antwort ist Würgers „Stella" ein Ärgernis, eine Beleidigung oder ein richtiges Vergehen“. In der „Welt“ hingegen hält Hannah Lühmann das Buch für „unterhaltsam und verdammt gut geschrieben“ und sieht in ihm eine „durchaus gekonnte Übertragung filmischer Dramatik ins Literarische“. Im Deutschlandfunk Kultur hieß es, dass der Autor eine interessante Erzählfigur schaffe, die sich mit einem Urteil Stella gegenüber zurückhalte. Der Norddeutsche Rundfunk kürte das Werk zum „Buch des Monats“.
Die Schülerinnen und Schüler von Lüttich bis Düren und von Maastricht bis Aachen haben sich mit dieser Kritik auseinandergesetzt, sind aber zu einem anderen Ergebnis gekommen: Sie seien von Anfang an von der Geschichte gepackt und in den Bann gezogen worden, so ihr Fazit. Ein belgischer Schüler begründete seine Wahl so: „Dieses Buch zeigt uns ein umfassendes Bild des menschlichen Geistes, es lässt uns an uns selbst zweifeln, zeigt uns die schlimmsten Schrecken, zu denen der Mensch fähig ist, aber auch die großen Dinge, die er tun kann.“ Eine deutsche Schülerin distanzierte sich sehr deutlich von der Literaturkritik der deutschen Blätter. Die Verschmelzung von Realität und Fiktion in „Stella“ lasse sie in die Vergangenheit eintauchen, begründete sie ihre Wahl.
Takis Würger kündigte bereits an, dass er sein Preisgeld von 5000 Euro, gestiftet von der Bürgerstiftung der Sparkasse Aachen, einer Stiftung zugunsten der Opfer des Nationalsozialismus spenden wird. Neben dem Autor werden auch die beiden Übersetzer Daniel Mirsky und Goverdien Hauth-Grubben mit jeweils 1000 Euro ausgezeichnet, die den Roman ins Französische und Niederländische übersetzten.
Im Mai soll es die Preisverleihung geben. Takis Würger hat sein Kommen bereits zugesagt. Der genaue Ort und das Datum werden zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben.
Der Euregio-Schüler-Literaturpreis
Der Euregio-Schüler-Literaturpreis wird seit mehr als 20 Jahren vom Verein Euregio Kultur ausgerichtet, die deutsch-französische Autorin Sylvie Schenk aus Stolberg hatte ihn initiiert. Beteiligt sind Schulen aus der gesamten Euregio von Lüttich und Maastricht bis Düren und Heinsberg. In jedem Jahr werden insgesamt sechs Bücher, jeweils zwei aus den drei Sprachräumen, von der Euregio Kultur nominiert. Die Schülerinnen und Schüler lesen die sechs Bücher in ihrer Landessprache. Sie besprechen in ihren Literaturkursen und AGs die Bücher, besuchen Lesungen mit den nominierten Autoren und Autorinnen und nehmen an Kritikerrunden teil. „Das alles zusammen befähigt die Schüler, sich ein umfassendes Bild über ein Buch zu machen“, ist sich der Leiter des Vereins Euregio Kultur sicher.
Jede Schule in der Euregio kann sich mit ihren AGs oder Literaturkursen an dem Projekt beteiligen. Am 8. Juni wird es in Eupen einen Info-Workshop für Lehrerinnen und Lehrer geben, die Interesse haben, mitzumachen „Neue Schulen und Kurse sind herzlich willkommen“, betont Oliver Vogt. Wie viele Initiativen habe auch der Euregio-Schüler-Literaturpreis unter Corona gelitten, da interessante Veranstaltungen wie Lesungen nur online stattgefunden hätten. Infos unter www.euregio-lit.eu.