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Aachen: Suermondt-Ludwig-Museum: Zurück aus dem Londoner Exil

Aachen : Suermondt-Ludwig-Museum: Zurück aus dem Londoner Exil

Das Naturerlebnis am Chiemsee muss 1919 für den Maler Fritz Schaefler umwerfend gewesen sein: Wald und Felder, Bäche und Berge, Bäume und Ähren leuchten in satten, klaren Farben - als ob eine glückliche Seelenlandschaft in den Ausprägungen der bayerischen Voralpen ihre Entsprechung gefunden hat.

Gewaltige Kraft, Energie und Dynamik versprühen diese Bilder, die weit mehr sind als bloße Landschaftsdarstellungen. Jahrzehntelang waren die Bilder dieses Expressionisten der „zweiten Generation” (1888-1954) verborgen und verteilt auf den Etagen eines Hauses in London. Christoph Schaefler, der in Aachen lebende Enkel, spürte sie 2009 wieder auf (wir berichteten). Ab Freitag ist die Kollektion von rund 80 Werken Fritz Schaeflers im Aachener Suermondt-Ludwig-Museum zu sehen.

Die ganze Bandbreite im Schaffen dieses Künstlers, der zeit seines Lebens unter dem Trauma der Weltkriege ebenso litt wie unter Malverbot, Existenznot und Kriegsverwundung, ist nun erstmals umfassend zu besichtigen. Vorbereitet hat die Schau Kurator Adam C. Oellers.

1927 Umzug nach Köln

Am Chiemsee erlebte er im Haus seiner Schwiegermutter, der Schriftstellerin Clara Ratzka, einen ganz persönlichen und auch künstlerischen Neubeginn, nachdem er aus München als aktiver Sympathisant der Revolution und Räterepublik, die blutig niedergeschlagen worden war, flüchten musste. Not, Freunde und Hoffnung auf ein besseres Leben motivierten ihn 1927 zu einem Umzug nach Köln.

Hier traf er auf den jüdischen Fabrikanten, Mäzen und Kunstsammler Joseph Heymann, der schnell ein Liebhaber seiner Werke und für zehn Jahre zu seinem befreundeten und wichtigsten Förderer werden sollte. Das Ende kam 1937: Heymann floh mit seiner sechsköpfigen Familie nach London. Im Gepäck: 80 Werke des Freundes. Der erlebte in der Folgezeit in voller Härte das rassentheoretisch begründete Barbarentum der Nazis mit Malverbot und der Zerstörung seiner Werke in den Museen.

Nach dem Krieg konnte Schaefler in der Kunstwelt nicht mehr Fuß fassen, 1954 starb er in Köln. Den Nachlass verwaltet sein Enkel Christoph. Eine ganze Reihe
Schaefler-Ausstellungen hat es bereits gegeben, unter anderem 1983 auch im Suermondt-Ludwig-Museum, und vor zwei Jahren fanden 20 grafische Werke immerhin ihren Weg bis ins Los Angeles County Museum of Art.

„Aber solch eine umfassende Ausstellung wie die hier in Aachen”, sagt Christoph Schaefler, „die hat es bisher noch nicht gegeben.” 2009 fand der Enkel den Kontakt in London zum jüngsten Sohn des einstigen jüdischen Mäzens, Bernard Heymann, der jetzt mit seiner ganzen Familie nach Aachen angereist ist, um die Ausstellung zu begleiten.

Und so spiegeln sich in den wechselnden Motiven der Malerei des Fritz Schaefler die Seelenlage, die Traumata und die glücklichen Tage einer ganzen deutschen Künstlergeneration in gewisser Weise wider. Kriegsszenen wie „Trommelfeuer” und „Golgatha” thematisieren in gänzlicher Schwärze die explosive Wucht der Zerstörung und deren Folgen in religiös geprägten Bildern menschlichen Leidens. Der Neubeginn mündet in farbenfrohen Landschafts- und Naturmotiven - und das alles durchaus am Rande der existenziellen Not geboren. Viele Blätter fand der Aachener Restaurator Roland Mertens von zwei Seiten bemalt und im Übrigen nach den Jahrzehnten im Londoner „Familiendepot” in ausgesprochen schlechtem Zustand vor. Indessen: Jetzt leuchten sie wieder: auch die „Badenden” und die Akte am See, all die Blumenstillleben und solche mit Masken und Fischen, die ganz offenbar mit dem Kölner Karneval zu tun haben.

Die Schau wird im Anschluss in der deutschen Botschaft in London gezeigt, deshalb ist der Katalog in Deutsch-Englisch erschienen. Zur Eröffnung wird der deutsche Botschafter in London, Georg Boomgaarden, im Suermondt-Ludwig-Museum sprechen.

Die Eröffnung ist am freitag um 18.30 Uhr:

„Verfemt - Vertrieben - Zurückgekehrt. Fritz Schaeflers wiederentdeckte Werke und die Sammlung Heymann in London”, Suermondt-Ludwig-Museum Aachen, Wilhelmstraße 18, bis 7. Oktober.

Geöffnet: Di., Do., Fr. 12-18 Uhr; Mi. 12-20 Uhr; Sa., So. 11-18 Uhr.