Aachen : Sein Ton macht süchtig: Immer wieder aufs Neue
Aachen Der Ton macht die Musik - eine Binsenweisheit. Was aber macht einen Musiker aus? Was hebt ihn hervor aus dem Heer der Kollegen, die an Saiten zupfen oder in die Tasten greifen? Sicher das: Dass er „seinen” Ton gefunden hat, hebt den Star aus der Masse.
Den unverwechselbaren Ton, den originären, persönlichen und überdauernden, den einzigartigen. Eric Clapton hat diesen Ton gefunden, schon in früher Jugend. Sein Gitarrenspiel machte ihn bereits Mitte der 60er Jahre zum Weltstar - was dem britischen Gitarristen Ruhm, aber lange Jahre wenig Glück einbrachte. Heute wird Eric Clapton 65 Jahre alt.
Der Ton. Es gibt nachweislich Menschen, die Eric Clapton schon weit mehr als 50, 60 oder 100 Mal live gesehen haben. Warum? Weil er immer wieder mit Neuem aufwartet? Weil er abwechslungsreich ist wie kein Zweiter der Branche? Würde man das zum Maßstab nehmen, so wäre die Fan-Gemeinde eher überschaubar. Eric Clapton ist auf Tour vielleicht einer der störrischsten, faulsten Musiker. Er schafft es mitunter, auf einer Konzertreise jeden Abend das gleiche Set herunterzuspulen. Routiniert, bisweilen sogar uninspiriert.
Aber dieser Ton, er ist da. Immer. Er schwebt, er kommt jaulend daher, sanft flüsternd, ächzend. Er füllt den Raum, er zaubert Atmosphäre. Dieser Ton macht süchtig. Bei jedem Konzert aufs Neue. Unstillbar. Clapton spielt die Gitarre nicht, er lässt sie malen. Soundbilder, farbenprächtig bis in die letzte Note, glänzend.
Mitte der 60er Jahre sprühte jemand „Clapton is God” an eine Londoner Wellblechwand. Später wird behauptet, es habe hunderte dieser Graffiti gegeben. Überliefert ist nur ein einziges Foto. Doch das reicht. In den Olymp haben sie ihn schnell erhoben - in einer Zeit, in der die Gitarre in europäischen Rockbands über den Status eines Begleitinstruments mit gelegentlich dilettantem Solo-Geklimper nicht hinausgekommen war. Aus den Staaten wurde importiert, was ein Blues-Musiker mit sechs Saiten auf wahlweise Rosen- oder Ebenholzgriffbrett veranstalten kann. Eric Clapton hat das studiert. Er hat diese schwarze Musik aufgesogen. Er hat sie sich zu eigen gemacht. Den gottgleichen Status im zarten Alter von 20 zu erhalten, das schafft nicht jeder.
Abgetaucht im Drogensumpf
Ein Leben im Rausch - im wahren Wortsinn über viele Jahre. Abgetaucht im Drogensumpf Anfang der 70er Jahre, dann knapp zwei Jahrzehnte benebelt von mindestens zwei Litern Brandy am Tag. Seit knapp 20 Jahren ist Eric Clapton trocken. Selbst Schicksalsschläge wie der Tod seines damals vierjährigen Sohnes Conor im Frühjahr 1991 haben ihn nicht von seinem Weg abgebracht. Die Musik, so sagt er damals, hält ihn am Leben, gibt ihm Kraft. Er verliert seinen Ton nicht. Im Gegenteil: Er verfeinert ihn weiter. Und er produziert mit „Tears In Haven” nebenbei noch einen Welthit, der ihm sechs Grammys einbringt.
Der Ton, er macht die Musik. Kann man ihn sein lassen? Kann man ihn im Archiv ablegen, konservieren? Seit rund zehn Jahren verkündet Eric Clapton, das Touren aufgeben zu wollen. Er heiratet eine 31 Jahre jüngere Amerikanerin, wird Vater dreier Töchter. Den Frieden mit sich habe er gefunden, teilt er darauf mit. Altersweise, spötteln manche. Vielleicht. Aber aus dieser inneren Ruhe heraus findet er den Antrieb, weiter live zu spielen, bisweilen mehr und vor allem besser als noch vor einem Jahrzehnt. Mit seinem alten Kumpel Jeff Beck, der ihn 1965 bei den Yardbirds ersetzte, war er Anfang 2010 auf Europa- und Amerikatournee, anschließend mit eigener Band in den Staaten unterwegs.
Und jetzt steht eines der ambitioniertesten Projekte der letzten Jahre an. 1969 gründeten Clapton und Steve Winwood die Band Blind Faith. Sie brachte nur ein Album heraus und überlebte kein Jahr.
Aber die Musik der beiden überdauert bis heute. Bei einem von Claptons zahlreichen Wohltätigkeitskonzerten zugunsten der von ihm gegründeten Suchtklinik auf Antigua haben die beiden vor einiger Zeit erstmals seit knapp 40 Jahren wieder zusammengespielt. Jetzt gehen sie auf Tour.
Am Freitag, 28. Mai, spielen Clapton und Winwood im ISS-Dome in Düsseldorf. Und der Ton, er wird die Musik machen. Unverwechselbar, mit Suchtpotenzial. Es wird Fans geben, die von dieser Tour wieder mehrere Shows besuchen. Manch einer sicher (fast) alle...