Köln : Schmissige Schmonzetten mit Radschlag
Köln Wenn Götz Alsmann sich daran macht, das „Leichte im Schweren” zu entdecken, dann verspricht das einen vergnüglichen Abend irgendwo zwischen Buttercreme-Torte und Cola Light.
Tatsächlich ist der 47-jährige Entertainer, Musiker und „Zimmer frei”-WG-Genosse von Christine Westermann ein Glücksgriff für die lit.Cologne-Eröffnungsgala am Mittwochabend in der Philharmonie.
Seine Anmoderationen schüttelt er scheinbar einfach so aus dem Ärmel, seine musikalischen Beiträge mit Ukulele und Klavier sind despektierlich-derb-vergnüglich, und selbst das Verlesen der Sponsorenliste wird mit Alsmann zum lautmalerischen Genuss.
2000 Gäste
Wie immer ist die Gala schon seit Wochen ausverkauft, und 2000 Gäste können „in einem der schönsten Konzertbauten der westlichen Hemisphäre” (Alsmann über die Philharmonie) häppchenweise Lyrik, Erzählungen und Musik goutieren. Verglichen mit den Vorjahren kommt der Abend kürzer und straffer daher, hätte das Publikum nach der Pause nicht so getrödelt, wäre es bei guten zwei Stunden geblieben.
Weil Gala bekanntermaßen etwas mit Fest zu tun hat, tragen die Herren vorzugsweise Hemd, Schlips und Dreiteiler in gedeckten Farben.
Schauspielerin Nina Hoss (29), die im Wechsel mit Mimen-Urgestein Otto Sander (63) Texte von Kurt Tucholsky, Franz Kafka oder Friedrich Schiller liest, könnte mit ihrem langen Korsagenkleid aus schwarzem Seidentaft gut und gerne als Cellistin der Philharmoniker durchgehen, und die schwarzen, dicken Tücher, die die beiden Lesetische bedecken, verleihen diesen den pietätvollen Charme eines Bestattungsinstituts.
Gab es in vergangenen Jahren zu viel Erläuterungen zu Autoren und ihren Texten, so gibt es diesmal gar keine: Bei Gedichten wie Rilkes „Herbsttag” oder Ringelnatz Klassiker „Ich habe dich so lieb” ist das nicht nötig, aber über das, was Georg-Büchner-Preisträger Wilhelm Genazino und Satiriker Wiglaf Droste aus ihren eigenen Werken lesen, hätte man doch gern ein bisschen mehr erfahren als den Hinweis auf die lit.Cologne-Homepage.
Für die Musik an diesem Abend ist hauptsächlich der Sänger und Songwriter Michel van Dyke zuständig, der, unterstützt von Sven Schumacher (Bass und E-Gitarre) und Martin Iannaccone (Cello, Congas und Drums) „gehobenes deutschsprachiges Liedgut” (Alsmann über das Trio) zu Gehör bringt, und das klingt Gott sei Dank weit besser, als die Alsmannsche Formulierung befürchten lässt. Auch Wiglaf Droste und Nina Hoss wagen den Sprung ins Liederfach.
Während der delikate Sopran der zarten Blondine nicht recht zum Marlene-Dietrich-Chanson „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre” passen will - das konnten Katja Flint, Meret Becker und Ute Lemper besser - ist Drostes schmissige Schmonzette „Ausgeplündert in Paris”, begleitet von Alsmann am Flügel, der Fetzer des Abends, der - zur großen Begeisterung des tobenden Publikums - mit einem veritablen Radschlag des talentierten Sängers beeendet wird.
Toppen kann das allenfalls noch Alsmanns einziges, jemals von ihm geschriebenes Poem „Ich möchte lieber Vertreter werden, damit ich meine besten Jahre nicht hinter dem Schreibtisch vergeude, verstehst du, ich will frei sein!”, das genauso herrlich ist, wie sein Titel ahnen lässt und eine grandiose Hass-Hymne auf die hässlichsten Hotels dieser Welt darstellt.
Was genau das Leichte im Schweren - als Motto des Abends auserkoren - eigentlich darstellt, konnte die Gala zwar nicht klären, sorgte aber für einen kurzweiligen und abwechslungsreichen Abend ohne Hänger und Aussetzer.