Heerlen : „Rhythmus des Humanen” gilt noch nach 20 Jahren
Heerlen Warum sollte man die Werke des Schriftstellers Heinrich Böll (1917-1985) heute eigentlich noch lesen?
Der in Heerlen lebende Werner Janssen, Initiator von grenzüberschreitenden Kulturprojekten wie der „Euriade” im philosophisch-literarischen Bereich oder den musikalischen Programmen von „Amadè” und „Orpheo” hat genau 20 Jahre nach dem Tode Bölls mit seinem Buch „Eine Blume zwischen den Trümmern”, das jetzt im Eigenverlag „Erebodos”erschienen ist, mit einem klaren „Ja” beantwortet.
Janssen, Jahrgang 1944, der in vier Kapiteln neben der ausführlichen Analyse und Interpretation der zahlreichen Erzählungen, Romane, Reden, Interviews und Aufsätze Bölls auch von seiner ganz persönlichen Beziehung zu diesem Schriftsteller berichtet, spannt den Bogen weiter, als es die reine Literaturwissenschaft je getan hat. Was ihn beschäftigt, ist der „Rhythmus des Humanen”, die „Suche nach einer bewohnbaren Sprache in einem bewohnbaren Land”, die Bölls Schaffen in seiner Sicht prägen.
„Angesichts der Trümmer in Südostasien wurde mir bewusst, dass wir selbst ja noch immer in Trümmern leben, allerdings in gesellschaftlicher Hinsicht”, so Janssen. „Vielfach wird Böll gar nicht mehr gelesen, weil man diesen Schriftsteller mit der verdrängten Nachkriegszeit in Verbindung bringt. Dabei sind seine Aussagen zeitlos. Er ist längst ein Klassiker.”
Sein Buch, bei dem er von Martha Klems und Martin Bloemers vom Vorstand der Stichting Euriade tatkräftig unterstützt wurde, ist in nur wenigen Wochen entstanden und verdichtet Erfahrungen sowie Begegnungen und Einsichten aus gut 30 Jahren.
Schicksalhaft sollte Janssens erste Begegnung mit Böll in Langenbroich (Eifel) sein, die er - damals ein junger, engagierter Deutschlehrer in den Niederlanden - im Buch ausführlich beschreibt: „An dem Tag, dem 16. Juli 1973, zwölf Jahre vor seinem Sterbetag, dem 16. Juli 1985, traf ich ihn dort an”, heißt es im Vorwort. Und er traf nicht nur auf das freundliche Interesse des Schriftstellers, sondern auch auf dessen prominenten Mann im Bauernhaus: „Später kamen seine Frau Annemarie und der damalige Gast Alexander Solschenizyn hinzu, der kurz zuvor mehr oder weniger aus der Sowjetunion verbannt worden war.”
Eine Beziehung begann, in deren Verlauf Janssen erkennen sollte: „Die Mitmenschlichkeit ist Bölls zentrales Thema.” In der Gesamtsicht seien all seine Werke im Prinzip „ein einziger großer Roman”, in dem zwar Helden und Namen wechselten, nicht aber die beständige Suche nach Humanität, Mitgefühl und Liebe.
Eindrucksstarke Vertiefung des geschriebenen Wortes ermöglichen die Abbildungen von neun, zum Teil noch nie öffentlich gezeigten Gemälden des Kölner Künstlers Ernst Wille, der Böll mehrfach in verschiedenen Lebensphasen porträtiert hat unter dem Motto „Jahre des Terrors und der Verleumdung”.
In Janssens Buch, das ab Freitag auf dem Markt ist, verbinden sich die große Bewunderung für den Schriftsteller und die tiefe Zuneigung zum Freund Böll mit einer präzisen Kenntnis und Aufarbeitung des Gesamtwerkes aus der Sicht des Germanisten und Literaturwissenschaftlers, der inzwischen aus der Position einer reifen Weltsicht weitreichende innere Bezüge herzustellen vermag.