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Würselen: „Paris!”: Götz Alsmann und Band begeistern Publikum

Würselen : „Paris!”: Götz Alsmann und Band begeistern Publikum

Der Vollblutmusiker hat sich einer neuen Herausforderung gestellt, und es gibt wenige Könner, die mit diesem Genre nicht nur sicher umgehen können, sondern es sich sogar sehr speziell zu eigen machen.

Götz Alsmann hat sich das französischen Chanson der 30er bis 60er Jahre ausgesucht und daraus ein frisches und doch in allen Fasern Alsmann-typisches Projekt gestaltet. „Paris!” ist der Titel seiner Tour, mit der er jetzt auf der trotz heftiger Regengüsse voll besetzten Freilichtbühne von Burg Wilhelmstein in Würselen-Bardenerg seine neues Programm sowie die aktuelle CD „In Paris” präsentierte - an seiner Seite eine Band, die ihm in Gestaltungsfreude und Musikalität in nichts nachsteht.

Bolero bis Bossa Nova

Nur so funktioniert sein Konzept, denn Alsmann lässt in seinen Arrangements hochkarätigen Mistreitern wie Altfrid Maria Sicking (Vibraphon, Xylophon, Trompete), Michael Ottomar (Bass), Rudi Marholf Schlagzeug) und Markus Paßlick (Percussion) viel Raum für Kreativität, den sie solistisch wie im Ensemble nutzen und sich immer wieder neu als erfahrene Show-Band beweisen.

Alsmann sitzt am Klavier oder wandert über die Bühne, lässt Finger und Füße tanzen, singt, haucht, seufzt, knurrt. Locker moderiert er zwischen Rumba und Bolero, Cha Cha Cha, Bossa Nova und Musette. Mit Genuss beschwört Alsmann das Flair der Stadt an der Seine, die Schwüre der Liebenden, die Tränen der Verlassenen und eine Erotik, die so selbstverständlich ist wie ein Glas Wein. Er spielt mit der Sentimentalität, drückt sie ans Herz und wendet sich im nächsten Moment lächelnd einer neuen Geschichte zu.

Druckvoller Sound

Chansons von Charles Trenet, Götz Yves Montand, Charles Aznavours, Dalida, Dario Moreno, Serge Gainsbourg, Eddie Constantine und Gilbert Becaud klingen auf. Alsmann hat die deutschen Texte geschrieben und holt sie damit in seine Welt. Er und die Band sorgen für einen frischen, zum Teil sehr druckvollen Sound, der den Staub der Zeit kräftig wegpustet.

Hinzu kommen Alsmanns Entertainer-Qualitäten. Beschwingt beschreibt er etwa einen skurrilen Auftritt Gilbert Becauds 1967 bei Hans-Joachim Kulenkampffs TV-Quiz „Einer wird Gewinnen”. Wer im Publikum alt genug ist, um sich noch an Schwarz-Weiß-Fernsehen, „Monsieur 100 000-Volt” im schwarzen Rollkragenpulli mit Whisky-Glas und Zigarette am Piano zu erinnern, der weiß, wie treffend er die Szene schildert. Aber die anderen amüsieren sich trotzdem. Alsmann bleibt in Bewegung, wendet sich voller Freude Bühnenkollegen und Zuschauern zu. Man spürt seinen Schwung.

Und noch ein Held aus Jugendtagen: Eddi Constantine, der in Frankreich als Chansonnier gefeierte amerikanische Schauspieler („FBI-Agent Lemmy Caution”) mit rauer Schale und Reibeisenstimme. Effektvoll mischt Alsmann die eher konservative Welt seiner Münsteraner Heimat mit dem Aroma von weiter Welt und formt aus einer typischen Eddi-Anmache („Hallo, wo brennts denn? Darf man löschen?”), die bei vollbusigen Filmdamen wunderbar klappte, ein witziges Kammerspiel: In der Jugenddisco von Münster funktionierte der Spruch nämlich gar nicht . . .

Applaus! Und schon schwingt sich Alsmann in die nächste Stimmung, das nächste Chanson. In einer musikalischen Geisterstunde begegnet er schließlich den legendären Gestalten des Chansons höchstpersönlich und mischt sich unter sie, beschwört das Raffinement des Film Noir und wandert - „Wenn es Nacht wird in Paris” - an der Seite von Jean Gabin und Lino Ventura durch die dunklen Gassen des Krimiklassikers „Touchez pas au Grisbi”.

Auch Serge Gainsbourg

„Der Wolf tanzt Cha Cha Cha” („Cha-Cha-Cha du loup”) von Serge Gainsbourg ist eines jener Chansons, deren morbide Melancholie er genauso ernst nimmt, wie den schmerzhaften Sarkasmus eines „Du lässt Dich gehen” von Charles Aznavour.

„Paris” ist eine perfekt ausbalanciertes Götz Alsmann-Programm, kein Chanson-Abend. Witz und komödiantisch geniale Ideen verleiten Alsmann niemals dazu, sich auf Kosten dieses Genres lustig zu machen oder es zu imitieren. Doch er schöpft aus dem musikalischen und emotionalen Reichtum jener Zeit (swingend etwa bei „Das Meer” nach Trenets „La Mer”), um etwas Neues, Gegenwärtiges zu schaffen, und das gelingt. Und die babyblaue Jacketts der fünf Herren sind eine heitere Hommage an Swing-Legende Hazy Osterwald, der sich und seine Musiker ganz ähnlich ausgestattet hatte.

Nahezu 30 Minuten lang belohnt Alsmann sein Publikum mit Zugaben, singt schließlich noch allein zur winzigen Ukulele und verabschiedet sich samt Band mit einem schwungvollen „Oh la l la, cest magnifique”, eine Verbeugung vor Dario Moreno und ein kraftvoller Abschluss.