Köln : Neues Zuhause für Böll-Nachlass
Köln Heinrich Böll war wahrlich kein glänzender Schüler. Das Abschlusszeugnis des Kölner Kaiser-Wilhelm-Gymnasiums vom Februar 1937 bescheinigt dem jungen Heinrich Theodor Böll (1917-1985) als „Gesamterfolg” ein „ausreichend”.
Bei „charakterlichem und geistigem Streben” schaffte der spätere Literaturnobelpreisträger immerhin ein „zufriedenstellend”, Deutsch und Religion zensierten seine Lehrer mit „genügend”, wie das vergilbte Dokument zeigt. Der Sohn des weltbekannten Schriftstellers, René Böll, präsentierte das brüchige Papier am Freitag in Köln in weißen Handschuhen geduldig vor Journalisten. „Wichtiger sind aber die frühen Manuskripte.” Diese meist handschriftlich verfassten Texte seines Vater stammen aus den 30er und 40er Jahren, sind empfindlich und hinter Glas geschützt.
Der Stadt Köln und dem Land Nordrhein-Westfalen ist nach sechs Jahren Verhandlungen mit der Erbengemeinschaft Heinrich Bölls ein großer Wurf gelungen. Für 800.000 Euro kauften sie mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder das Privatarchiv des Schriftstellers mit teils unveröffentlichten Arbeiten aus der Zeit vor 1945, Manuskripten, Übersetzungen, Dokumenten, Fotos und rund 2400 Briefen vor allem an seine Frau Annemarie, die 2004 gestorben war.
„Ein Grund für den Verkauf war, dass die Dinge hier ganz anders gelagert werden können als Zuhause”, erklärte René Böll (60) im Historischen Archiv. Zuvor hätten sich die wertvollen Schriftstücke teilweise in Kisten in einem feuchten Keller unter Fahrradreifen gestapelt. „Als Kinder war das für uns Altpapier, da hatten wir die Bedeutung noch nicht erkannt.”
Nun ist der gesamte Nachlass Heinrich Bölls vereint in einem zentralen Gebäude seiner Heimatstadt Köln - und findet in bester Gesellschaft namhafter Architekten, Komponisten und anderer Literaten. Der gesamte Böll- Bestand solle der Wissenschaft und interessierten Bürgern gleichermaßen zugänglich gemacht werden, erklärte Archiv-Leiterin Bettina Schmidt-Czaia. Das Urheberecht bleibe aber komplett bei den Erben.
Böll hatte schon 1979 sein bis dahin entstandenes Archiv auf Lebenszeit der Stadt Köln als Leihgabe übergeben. 1984 - ein Jahr vor seinem Tod - schlossen der Autor und das Historische Archiv einen Vertrag über den Ankauf seines Privatarchivs, das bis damals in Boston lagerte. Darunter waren Entwürfe, Werke, Korrespondenzen, Hörspiele oder Glossen. 2003 begann das Kölner Archiv die Verhandlungen über den Ankauf des Rest-Nachlasses.
Die Bedeutung des Werks verpflichte dazu, den Bestand komplett der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, meinte Künstler René Böll. Sein Vater gehört mit Bestsellern wie „Ansichten eines Clowns” (1963), „Die verlorene Ehre der Katharina Blum ”(1974) oder „Gruppenbild mit Dame” (1971) zu den weltweit meistgelesenen deutschen Autoren.
Laut Kulturstiftung der Länder gehören seine Bücher bereits zu den Klassikern und sind auch aus dem Schulalltag nicht wegzudenken. Es sei eine „falsche Wahrnehmung”, dass es still um das Werk seines Vaters geworden sei, sagte Sohn René. „Es wird nicht mehr viel gekauft, aber sehr viel gelesen, die Ausleihzahlen in den Bibliotheken sind in den vergangenen 20 Jahren gestiegen und so hoch wie noch nie.”
Nur ein „Rest in minimalem Umfang” bleibe in den Händen der Familie, sagte René Böll. „Es handelt sich um nicht einmal ein Prozent der Gesamt-Unterlagen, die wir als Familie als private Erinnerung behalten.” Es sei schwierig gewesen, sich von allem anderen zu trennen.
Gemeint sind dabei auch ein Schwarz-Weiß-Foto von der Trauung seiner Eltern, Bölls Studienbuch von 1939 - er war nach Einzug zu Arbeitsdienst und Wehrmacht 1938 später nach Köln zurückkehrt und hatte Germanistik studiert - oder auch ein Familienbild der Bölls im Irland-Urlaub. Zugleich tröstet sich René Böll aber: „Wir haben vieles vorher gescannt - und wir können die Sachen ja auch mal ausleihen.”