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Aachener Sinfonieorchester: Domkonzert der Hoffnung

Aachener Sinfonieorchester : Domkonzert der Hoffnung

Das Aachener Sinfonieorchester unter der Leitung von Christopher Ward verbindet ein Chorstück von Anno Schreier mit Beethovens Neunter. Für den Benefizabend für die Ukraine hätte man die Plätze im Dom dreimal vergeben können.

„Alle Menschen werden Brüder“: Die Utopie Schillers und Beethovens scheint eine unerreichbare Utopie zu bleiben. Das Programm des jüngsten Domkonzerts mit Beethovens Neunter Symphonie stand zwar schon lange fest, erhielt durch die dramatischen politischen Ereignisse jedoch noch einen besonders aktuellen Akzent.

Das Bedürfnis der Menschen nach Frieden ist so groß, dass man die Plätze im Aachener Dom dreimal hätte vergeben können. Zusätzliche Bedeutung erhielt das Konzert durch die mehrfach verschobene Uraufführung von Anno Schreiers Chorstück „Der Anfang“. Der Text basiert auf einer uralten indischen Schöpfungsgeschichte, in der sich Gott als „Schöpfer“ der Welt selbst in Frage stellt. Entsprechend unruhig und alles andere als glaubenssicher beginnt Schreiers Werk mit schroffen Tonrepetitionen, die wie vergrößerte und verhärtete Tremoli der Eingangstakte aus Beethovens Symphonie wirken. Das zehnminütige Werk gipfelt in der Adaption des „Sternenakkords“, den Beethoven im Schlusssatz anklingen lässt, wenn vom „gütigen Vater“ über dem Sternenzelt die Rede ist.

Durch den nachdenklichen, vom Chor emotional skandierten Text und Schreiers musikalische Gestaltung wirkt das Werk wie ein skeptischer Kontrapunkt zum Optimismus Beethovens. Dabei lässt Schreier das Werk harmonisch so geschickt enden, dass Generalmusikdirektor Christopher Ward und das Aachener Sinfonieorchester ansatzlos Beethovens Symphonie anknüpfen konnten.

Allerdings begann Christopher Ward auf einem recht hohen dynamischen Level, so dass sich das geheimnisvoll-hintergründige Crescendo in den wichtigen ersten Takten nur rudimentär entfalten konnte und schnell an die akustischen Grenzen des nicht gerade nachhallarmen Doms stieß. Ein Problem, das sich in den ekstatischen Ausbrüchen des Chor-Finales noch verdichten sollte. An emotionalem Nachdruck fehlte es allen Mitwirkenden einschließlich des Opernchors, des Städtischen Chors und des Solistenquartetts nicht im Geringsten – einen idealen klanglichen Nährboden bietet der Dom allerdings nicht, was sich letztlich auch im Zusammenspiel in filigranen Passagen des Scherzos oder der Fuge im Schlusssatz auswirkte.

Die mitreißende Kraft der Musik des Sinfonieorchesters wurde dadurch jedoch nicht geschmälert und ohnehin stand der Benefiz-Charakter des Konzerts im Mittelpunkt. Die freiwilligen Spenden kommen schließlich und so gut wie ausschließlich dem ukrainischen Volk zugute.

Zur Bekräftigung des Anlasses eröffnete das Sinfonieorchester, in dem auch die ukrainische Geigerin Regina Voskynyan mitwirkte, den Abend mit einer kurzen, sanften instrumentalen Friedensbitte des bekanntesten ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov. „Gebet für die Ukraine“ heißt das ebenso leise wie hoffnungsstärkende Werk, dem sich eine kurze Ansprache des Generalkonsuls der Republik Polen, Jakub Wawrzyniak, anschloss, der sich stellvertretend für seine ukrainische Kollegin für die Unterstützung aus Deutschland bedankte.

Konzert kann gestreamt werden

Viel Beifall für ein Domkonzert, das angetan war, die Hoffnung auf eine friedlichere Zukunft nicht zu verlieren. Alle Künstler verzichteten zugunsten des Aktionsbündnisses „Deutschland hilft“ auf ihre Gagen und die Tantiemen aus dem Onlinestream des Konzertes, der vom 1. Mai an auf „classic.nl“ abgerufen werden kann.