1. Kultur

Grenzüberschreitende Kulturförderung: Mit Sprachtalent und Fingerspitzengefühl

Grenzüberschreitende Kulturförderung : Mit Sprachtalent und Fingerspitzengefühl

Susanne Ladwein findet sich im Dschungel der Anträge und Bedingungen zurecht – immerhin beschäftigt sie sich seit 20 Jahren mit der kulturellen Vielfalt in Europa und hat im Ringen um europäische Fördermittel speziell für Projekte der Euregio bereits eine Menge erreicht.

Beim Zweckverband Region Aachen (Kreis Düren, Euskirchen, Heinsberg, Städteregion Aachen und Stadt Aachen) leitet sie den Bereich Kultur, ist aber zugleich beim Land NRW im Förderprogramm „Regionale Kulturpolitik“ Leiterin eines Kultur-Koordinationsbüros. „Das Förderprogramm wird in zehn Kulturregionen von NRW umgesetzt, das Ruhrgebiet hat eine Sonderstellung, da gibt es kein Kulturbüro“, erläutert sie. „Es sind die Gelenkstellen zwischen Kulturministerium und Regionen.“

26 Projekte mit einem Gesamtfördervolumen von 677.215 Euro (2018: 533.000 Euro) hat Susanne Ladwein mit ihrem Team für 2019 auf den Weg gebracht, für 2020 konnte man drei große, europäisch geprägte Bereiche festlegen: „Europa Calling – Europa ruft!“ greift die Diskussion um das kulturelle Erbe der europäischen Mitgliedsländer auf. „Wir wollen künstlerische Positionierungen zwischen kulturellem Erbe und aktuellen politischen wie gesellschaftlichen Herausforderungen erreichen“, erklärt Susanne Ladwein. Digitalisierung sowie die Kooperation und Vernetzung im ländlichen Raum stehen gleichfalls auf der Förderliste. Ziel ihrer Arbeit ist es, die Region Aachen mit ihren niederländischen und belgischen Partnern zur europäischen Kernregion zu verdichten, sofern es um Kulturförderung geht.

Die Region Aachen und der europäische Gedanke – das ist so selbstverständlich, dass dieser Aspekt häufig in den Hintergrund tritt. Wer denkt bei grenzüberschreitenden Angeboten wie Theater Starter, dem Festival für Kinder- und Jugendtheater, dem Internationalen Gitarrenfestival Heinsberg, der im Juni anlaufenden Chorbiennale, dem Tanzfestival Schrittmacher mit seinem Unterprogramm „Generation 2“, oder der Lit.Eifel an Europa? „Oft sind die Wege zu einer Förderung nicht leicht, ist die gemeinsame Finanzierung mühselig“, betont die Kulturexpertin. „Meine wichtigste Aufgabe ist es, die Antragsteller zu beraten, wir nennen das aktivierende Begleitung. Als Region Aachen verstehen wir uns als europäische Modellregion.“

Findet sich im Förderdschungel zurecht: Susanne Ladwein vom Zweckverband Region Aachen.
Findet sich im Förderdschungel zurecht: Susanne Ladwein vom Zweckverband Region Aachen. Foto: Andreas Herrmann

Wie funktioniert ein Kostenfinanzierungsplan, wo gibt es Mitstreiter, welche Stiftungen kann man ansprechen? Fragen, die sich Kulturschaffende oft noch nie gestellt haben. Rund 1400 Adressen vom Dezernenten bis zum Einzelkünstler, von den Kulturämtern bis zu freien Initiativen verzeichnet der Verteiler der Koordinationsstelle, die damit Informationen über alle europäischen Projekte auf den Weg bringen kann. Kultur wird aktiv in Beziehung zu Wirtschaft und Tourismus gesetzt, die Hochschulen sind einbezogen, es gibt Projekt-Börsen und Ideen-Treffs.

Die Eigenarten der jeweiligen Gruppen sind für Susanne Ladwein eine Herausforderung. „Die Teilnehmer einer Band reden anders miteinander als Künstler, die eine Ausstellung planen“, sagt sie. „Das macht den Reiz dieser Arbeit aus.“ Sie vermittelt zudem Feingefühl für internationale Partner und bürokratische Regeln. „Wer mit Institutionen einer französischsprachigen Region kooperieren möchte, sollte Französisch sprechen.“ In der Provinz Limburg (NL und Belgien) gibt es sogar die Möglichkeit, bei der dortigen Regierung Gelder zu beantragen. „Der Antrag ist nicht kompliziert“, versichert die Koordinatorin. „Aber in niederländischer Sprache!“ Wichtig bei allen Anträgen: Es gilt, die Fristen einzuhalten, sonst hat man keine Chance.

Grenzüberschreitende Projekte wie „Die Euregio liest“, hervorgegangen aus dem Euregio Schüler-Literaturpreis, werden komplett dreisprachig organisiert – ob Website, Flyer, Broschüren oder Lesungen in Deutschland, den Niederlanden und Belgien. „In Maastricht, Lüttich, Heerlen und Aachen trifft man sich mit den Autoren zu Lesungen, das macht dieses Projekt aus“, betont die Koordinatorin. „Selbst der Ort der Preisverleihung wechselt jährlich. Wichtig ist das Gefühl der Gleichwertigkeit.“ Von der Provinz Lüttich, die in Kooperationen besonders anspruchsvoll ist, kam inzwischen die Anregung, das Projekt auf den Erwachsenen-Bereich und um die Ebene der Bibliotheken und Buchhandlungen zu erweitern, was Susanne Ladwein ganz besonders begeistert. So kommt es zu weiteren Begegnungen und Buch-Ankäufen.

Die Voraussetzungen für eine Förderung können sehr unterschiedlich sein. Das Kulturministerium NRW fördert zwar, will aber, dass die anderen Länder gleichfalls etwas dazugeben. Ist eine Förderung von deutscher Seite wahrscheinlich, klopft Susanne Ladwein in Eupen, Lüttich und Maastricht an. „Wichtig sind dezentrale Veranstaltungen“, sagt sie. „Dann hat man häufig die Möglichkeit einer Mischfinanzierung.“ Durch Vermittlung und neue Partner konnte sich etwa das Musikfestival Kimiko vom Ludwig Forum auf den RWTH-Campus Melaten ausdehnen und Talent-Bühnen für neue Bands eröffnen. Susanne Ladwein meint: „Wenn sich die Richtigen treffen, kann Größeres entstehen!“

Was sie sich von NRW und insgesamt von Europa wünscht: flexiblere Bürokratie, zügigere Bewilligungen und mehr Anerkennung euregionaler Arbeit: „Andere europäische Länder haben es häufig leichter als wir.“