Aachen : Milvas leidenschaftliche Umarmungen
Aachen Milva ist nicht nur eine kraftvolle Künstlerin und eine schöne Frau, sie strahlt auch jene ganz besondere Form von Herzlichkeit aus, die ihr Publikum beim Gastkonzert im Rahmen der Verleihung des Karlspreises an den italienischen Staatspräsidenten Carlo Ciampi im vollbesetzten Eurogress sofort bannte.
Blaue Nebelschwaden. Die Band unter der Leitung von Natale Massara intoniert die ersten Takte von „Dont cry for me Argentina”, und aus der Tiefe des schwarzen Bühnenraums erscheint die Sängerin mit der berühmten roten, lockigen Mähne („la rossa!”), geht bis zum Bühnenrand und legt schon in diesen ersten Song tiefes Gefühl und große Leidenschaft.
Milvas Stimme füllt den Raum, ihre Posen sind in ihrer theatralischen Perfektion genau, sicher und wohldosiert, ihre Ausstrahlung ist unvermindert spürbar. Sie weiß das genau, umarmt ihr Publikum für jeden Beifall mit strahlender Geste und schenkt ihm ihre ganze Sympathie.
Drei Sprachen
Milva plaudert in drei Sprachen gleichzeitig. Das ist witzig und genial, denn irgendwie versteht man wirklich alles Wichtige bei dieser schwungvollen englisch-deutsch-italienischen Moderation.
Sie leistet sich sogar einen kleinen Exkurs über Aachen, den Karlspreisträger, auf den auch sie stolz ist, und über die Wiege Europas und den großen Kaiser Karl - Geschichtsunterricht im Schnellverfahren mit Informationen, die so manchen erstaunen.
So lässig und elegant, wie sie die Regie ihrer Show übernimmt, ist sie zum ersten Teil des Abends gekleidet: weiße edle Bluse, schwarze Marlene-Dietrich-Hosen mit funkelnden Gürtelschnüren.
Milva bewegt sich sinnlich, wohldosiert und mit sportlicher Sicherheit. Sie weiß, was alle erwarten: „Freiheit in meiner Sprache” wird zum leidenschaftliche Appell, berührend der Theodorakis-Song mit seinem berühmten Refrain „Ich mag dich, weil du klug und zärtlich bist”. Da seufzt so manche Zuschauerin.
Milva hat viele Gesichter, und es gelingt ihr meisterhaft, selbst Schwäche und Verzweiflung in Stärken zu verwandeln. „Ich hab keine Angst” geht unter die Haut, aber auch das gespenstische „Lili Marlene”, das in die grauweißen Nebelschleier bitterer Erinnerung gehüllt wird.
Umspielt von einer stimmigen Lichtregie, begleitet von hervorragenden Musikern, die ihr vielfach solistisch zur Seite stehen, gleitet Milva fast traumwandlerisch durch ein Programm, das unter dem Motto „Gestern und Heute” bekannte Titel ihrer langen Karriere geschickt mit den Songs anderer Berühmtheiten mischt.
Die Hommage für Edith Piaf von „La vie en rose” bis zum trotzigen „Non, je ne regrette rien” und einem funkelnden „Milord” wird zum Beweis einer unverminderten Strahlkraft.
Doch Milva - jetzt im schwarz wallenden Abendkleid - entlässt ihr Publikum, das sie mit weißen Lilien und roten Rosen verwöhnt, nicht, ohne ihm mit unverminderter Energie ein „Hurra, wir leben noch” mit auf den Heimweg zu geben.
Und nachdem das Mitsingen bei „La vie en rose” nicht so recht klappen will, verbinden sich Künstlerin und Zuhörer glücklich im tiefsinnigen Volkslied „Die Gedanken sind frei” nach Heinrich Heines bis heute gültigem Text, den Milva zur Sicherheit abliest. Es ist ihre letzte von drei Zugabe. Längst haben sich alle applaudierend von ihren Plätzen erhoben.
Mit einer allumfassenden Umarmung, einem glücklichen Lächeln und einem letzten schwungvollen Zurückwerfen der Mähne verabschiedet sich „la rossa” von Aachen.