Aachen : Mensch und Maschine: ein schmaler Grat
Aachen Die spärliche Kulisse verriet nichts. Ein altes Schränkchen, darin ein Sammelsurium technischer Geräte - ein Plattenspieler lässt sich im Hintergrund am Surren und Rauschen erahnen.
Ein ausgebauter Lautsprecher, ein wirres riesiges Knäuel Kabel - das Ganze umrahmt von einem eindringlichen, fast schon leidend wirkenden Gesang. Die Musik ist eine Mischung aus Björk, dem wohl bekanntesten isländischen Musik-Import, und meditativen Walgesängen.
Island hat beim Schrittmacher-Festival im Ludwig Forum Einzug gehalten. Zum ersten Mal präsentiert sich hier Tänzerin und Choreografin Erna Ómarsdóttir, die mit einer Vielzahl renommierter Auszeichnungen als eine der herausragendsten Tanzpersönlichkeiten der jüngeren Generation gilt. Inspiriert von der Recherche um den ersten Computer, der im Jahr 1964 in Island installiert wurde, wandelt Ómarsdóttir in ihrem Stück auf dem schmalen Grat zwischen menschlichem Wesen und Maschine.
Quasi als „Cyborg” wird sie von Komponist und Live-Performer Jóhann Jóhannson zuerst von einem Kabel-Wirrwarr befreit und schließlich zum Leben erweckt. Es beginnt ein Spannungsfeld zwischen Befreiung aus den motorisch ungelenken Bewegungsabläufen eines Roboters und den explosiven weichen Tanzelementen eines fast kindlich wirkenden Wesens, das zwischen Angst und Freude immer wieder hin- und hergerissen ist.
Hier und da kokettiert sie mit dem Publikum, sucht körperliche Nähe zu einem imaginären Gegenüber, entdeckt ihre Sinnesorgane und versucht Augen, Ohren und Mund gewaltsam wortwörtlich zu begreifen und ihrem Gesicht zu entreißen, tanzt befreit über die große freie Fläche der Bühne in der Mulde und verfällt wieder in einen nahezu spastischen Zwischenzustand, der letztlich im Stillstand endet.
Einige Male befreit sie Jóhannson mit einem unsanften Schlag auf den Rücken aus dieser Starre. Die „Mensch-Maschine” läuft wieder und setzt ihren inneren Kampf fort. Ómarsdóttir zeigt einen unglaublich kraftvollen Tanz. Immer wieder robbt, springt und fliegt sie fast schwerelos über den Boden. Das Ende kommt ebenso plötzlich wie der unangekündigte Beginn des 50-Minuten-Stückes. Wieder mit dem weinerlichen Gesang begleitet, findet Ómarsdóttir Ruhe. Eine unbewegte minutenlange Meditation folgt. Leider bleibt hier zum Schluss eine erneute „Explosion” aus.
Schrittmacher: nächster Termin am Freitag, 18. März, 20 Uhr, Ludwig Forum, Jülicher Str. 97, Mulde, „Mechanical Constructions for 1” von Leonard Cruz (Philippinen/USA). Karten unter Tel. 0241/5101175, Infos unter Tel. 0241/18007104.