„Lust der Täuschung“ im Aachener Ludwig Forum : Die Sehnsucht nach kunstvoller Illusion
Aachen Das Aachener Ludwig Forum gibt sich bis zum 30. Juni überaus vergnüglich der „Lust der Täuschung“ hin - von der Antike bis hin zur Virtuellen Realität. Die Ausstellung ist ein Gemeinschaftsprojekt mit der Kunsthalle München.
Wenn Sie diese Ausstellung im Aachener Ludwig Forum besuchen, was an dieser Stelle ausdrücklich empfohlen sei, sollten Sie erstens etwas Zeit und zweitens Ihre Kinder, soweit vorhanden, mitbringen. Zeit braucht man, weil sich vor einigen Stationen, an denen man in virtuelle Welten abtauchen kann, Warteschlangen bilden werden. Und Ihre Kinder werden garantiert einen Heidenspaß haben. Denn diese Ausstellung versteht sich explizit als Angebot für die ganze Familie – und funktioniert so auch ganz hervorragend.
„Lust der Täuschung. Von antiker Kunst bis zur Virtual Reality“ ist ein Gemeinschaftsprojekt mit der Kunsthalle München (wir berichteten ausführlich in unserer Wochenendbeilage). Dort lockte die Schau rund 280.000 Besucher an. In Aachen sind bis 30. Juni rund 100 Werke zu sehen.
Hier liegt der Schwerpunkt mehr auf zeitgenössischer Kunst, auch aus den Beständen der Ludwig-Sammlung, und auf Aspekten der Virtuellen Realität (VR). Dies auch in Zusammenarbeit mit dem Visual Computing Institut der RWTH, aus der ein virtueller, rund 100 Meter langer Rundgang durch den Aachener Dom resultiert, der sich auf einem sieben mal sieben Meter großen Raum abspielt.
Was ist „nur“ Schein, was ist „nur“ Illusion? Das Thema hat die Kunst schon immer beschäftigt. Die Ausstellung, die Annette Lagler, die den Aachener Part gemeinsam mit dem scheidenden Lufo-Direktor Andreas Beitin kuratiert hat, als die bisher hochwertigste im Forum bezeichnet, greift diese Fragen mit viel Lust am Spiel und an der Täuschung auf. Lust nicht nur auf Seiten der Künstler, sondern auch auf Seiten des Betrachters. Denn es macht uns ja tatsächlich viel Spaß, getäuscht zu werden – bzw. zu erkennen, dass wir getäuscht wurden.
Man kann dieses Thema auf vielen Ebenen reflektieren, und die Ausstellung liefert Anhaltspunkte für jede: neurologisch, politisch (Fake News!), kunsttheoretisch und -historisch, philosophisch, gesellschaftlich, sogar juristisch.Gegliedert ist sie grob in vier Themenbereiche, die den Fokus auf magische Räume, den Pygmalion-Mythos, das Spiel mit Original und Fälschung und eben die Virtuelle Realität legen.
Wir staunen über hyperrealistische Skulpturen und Bilder von Chuck Close, John De Andrea oder Evan Penny, wollen Vik Muniz’ Gemälde, das angeblich die Bildrückseite von Vermeers berühmten „Mädchen mit dem Perlenohrring“ zeigt, unbedingt umdrehen oder stoßen uns in Monika Sosnowskas unendlich lang erscheinendem Korridor schnell den Kopf an.
In die Antike führt eine rund 4500 Jahre alte ägyptische Scheintür, die der Aachener Tim Berresheim in eine über eine 3D-Brille erfahrbare Installation integriert hat, in die Hochzeit der Trompe-l’œil-Kunst des 17. Jahrhunderts Malerei etwa von Edwaert Collier.
Ganz Mutige trauen sich den Balanceakt auf einer verteufelt schmalen Planke über einem großstädtischen Abgrund zu (natürlich nur virtuell, trotzdem atemberaubend) oder setzen sich in Mona el Gammals „Rhizomat“ den Folgen einer Gedankenkontrolle in einem ominösen medizinischen Institut aus. Eher lyrisch Beseelte schweben im grandiosen „Chalkroom“ von Laurie Anderson und Hsin-Chien Huang durch einen „Gedankenraum“ voller tanzender Buchstaben, Zeichnungen und Wortfragmente.
Mehr sei hier nicht verraten. Nicht nur deshalb noch einmal: Der Besuch dieser Ausstellung sei ausdrücklich empfohlen.