Ausstellung in der Galerie Auge & Welt : Die wundersame Wirkung von Haaren und Pilzen
Aachen Tim Berresheim hat die Künstlerin Johanna Flammer zur Eröffnung seiner neuen Galerie „Auge & Welt“ in Aachen eingeladen. Beide zeigen Bilder, die ihre analogen und digitalen Geheimnisse haben.
Der Titel der Ausstellung ist ein vielsilbiges Rätsel: „Four eyes, what you gonna do now? Four eyes and how much do you see now? How many fingers? Ha ha ha“. („Vier Augen, was wirst du jetzt tun? Vier Augen und wie viel siehst du jetzt? Wie viele Finger?“). Das Zitat ist eine Persiflage auf Kinder, die große Brillen tragen (müssen) und stammt aus einem Song der 60er-Jahre-Band The Lovin‘ Spoonful, und fast möchte man aufstöhnen, weil es wieder kompliziert zu werden scheint.
Aber keine Sorge, alles ist ganz einfach. Vier Augen? Zwei Augen? Egal. Denn was die Bilder von Johanna Flammer und Tim Berresheim in der Galerie „Auge & Welt“ in Aachen offenbaren, ist ersichtlich vor allem Schönheit. Farben und Formen wollen gesehen werden und bieten ihrerseits ein visuelles Erlebnis. Und natürlich bergen die erbaulichen und erstaunlichen Guckobjekte auch ihre analogen und digitalen Geheimnisse, sonst wären es ja keine Kunstwerke.
Johanna Flammer, Düsseldorfer Künstlerin in verschiedenen Disziplinen und erster Gast in Tim Berresheims neuen Galerieräumen, ist zum Beispiel eine Haarfetischistin. Seit 15 Jahren beschäftigt sie sich in ihren Ölgemälden mit Haaren, findet es spannend, wie sich aus Haarfluten genauso florale Formen ergeben wie aus einem intuitiven Pinselschwung.
Ihre neuen Gemälde sind große Formate, die so fantasievolle Namen wie „Mondsteinblau“, „Begonienrosa“ und „Hanpurpur“ tragen. Auch eine Serie von „Törtchengrün“ ist dabei. Kleine Zeitschriftenausschnitte von Frisuren – oder eben Törtchen – schweben hier im großen Blau und Grün und entwickeln ein interessantes Eigenleben. Doch Flammer bindet Haare und Pinselstriche auch in feste Formen – als kleine Keramikskulpturen für Wand und Boden.
Um Schnittstellen von Abstraktion und Körperlichkeit geht es auch in den Bildern von Tim Berresheim, dem Computerfetischisten. Berresheim zeigt eine Reihe von aktuellen „Haarbildern“ – ein unendliches Gewusel von Formen und Farben, in unvorstellbarer Feinheit, Plastizität und „Echtheit“ vom Computer exakt so aus- wie vom Künstler eingegeben. „Haare auf die Leinwand zu bannen, gilt als die Königsdisziplin von Malern“, sagt Berresheim. Für ihn als Computerkünstler ist das eine ebensolche Herausforderung. Und siehe da, der Computer kann das perfekt, allerdings brauchen 150 Rechner dafür drei Tage.
Auch hier sind in typischer Tim-Berresheim-Manier Collagen zu bewundern: Knallbunte Pilze und Bretter schweben auf schwarzem Grund durch den Raum, vermeintlich zerknittertes Papier als weiß-grauer Bildgrund ist gar keines. Bei Tim Berresheim legt immer der Computer Hand an und sprengt auf beeindruckende Weise die Grenzen von Malerei und Fotografie.