Ausstellung im Ludwig Forum : Beuys, Schlingensief und andere Systemsprenger
Aachen Wie spannend Provokation in der Kunst sein kann, und wie viel Spaß die alten und neuen Kunst-Revoluzzer machen, zeigt die neue Ausstellung „Beat the System!“ im Ludwig Forum. Nichts wie hin, es gibt viel zu entdecken – und sogar was zu kaufen.
Wer die neue Ausstellung im Aachener Ludwig Forum besucht, darf sich auf einiges gefasst machen. Provokation pur ist angesagt: „Beat the System!“ lautet das Motto, und alte Kunst-Revoluzzer wie Joseph Beuys, Christoph Schlingensief oder der Aachener Graffiti-Sprayer Klaus Paier sind mit ihren legendären Provokationen ebenso vertreten wie die feministische Moskauer Punkrock-Band Pussy Riot oder das Berliner Künstlerkollektiv Peng mit seiner subversiven Aktionskunst.
Myriam Kroll, seit 2019 Interimsdirektorin des Ludwig Forums, verabschiedet sich mit dieser aufrührerischen Schau aus dem Ludwig-Kosmos und hat dafür nochmal vieles von dem zusammengetragen, was die Sammlung in Sachen Kunstprovokation zu bieten hat, Neues hinzugefügt und so acht Räume gestaltet, die auf- und anregende Kunst zeigen. Sie hat das ebenso bravourös gemeistert wie ihr gesamtes zweieinhalbjähriges Wirken fürs Lufo, das ist die einhellige Meinung aller inzwischen weiblichen Kultur-Verantwortlichen der Stadt, angefangen von Kulturdezernentin Susanne Schwier bis zur neuen Lufo-Direktorin Eva Birkenstock.
Der bürgerliche Protest gegen die herrschenden Verhältnisse ist ein ebenso spannendes wie streitbares Thema in der Kunst – und brandaktuell. Denn tatsächlich geht es dabei ja nicht um Kunst im Elfenbeinturm, sondern um Kunst auf der Straße, auf Wänden, im Film – und ja tatsächlich auch in der Blockchain. Eindrucksvoll beweist die Ausstellung einmal mehr, welches Potenzial Kunst als Instrument der Kritik und Veränderung hat und wie dies den Nerv der Zeit durchgängig sowohl trifft als auch spiegelt: subversiv, politisch, spannend und oft voller Witz.
Provokant und ausgesprochen freigeistig waren auch schon die alten Zeiten. Zum Beispiel Joseph Beuys‘ tumultartiges Festival der Neuen Kunst an der damaligen TH von 1964, das hier als Rekonstruktion in Raum 5 gezeigt wird. Wie war das noch? Waschmittel und Bonbons in einem Klavier für ein neues Klangerlebnis. Das Ganze endete mit einem Faustschlag und Beuys‘ blutiger Nase. Ein Klavier gefüllt mit Waschpulver diente 2002 auch Christoph Schlingensief als „Instrument“ für seine „Aktion 18“, mit der er sich damals in den FDP-Bundestagswahlkampf einschaltete – und sowohl den damaligen Vorsitzenden Jürgen Möllemann als auch diverse Staatsorgane auf die Palme brachte.
Natürlich fing der Aufruhr in der Kunst in den 1960er Jahren mit Vergangenheitsbewältigung an: Hans-Peter Alvermanns „Deutsches Notstandsschwein“ in schwarz-rot-gold mit Hakenkreuz in Raum 1 ist ein schönes Beispiel für die neue respektlose Auseinandersetzung mit der NS-Zeit. Die Hitler-Goethe-Collage in Popart-Farben ebenso. Und Michael Deistler begab sich 1980 mit seinen Hieroglyphenbildern in Pixel-Schrift auf eine spezielle NS-Spurensuche in Ägypten.
Und weiter geht’s: zum Beispiel mit einem Raum voller Protest-Transparente, die 2000 im Rahmen eines Lehrauftrags an der RWTH als spektakuläre Aktion in Zusammenarbeit mit dem Neuen Aachener Kunstverein (NAK) entstanden sind. Oder dem wandfüllenden Video einer „Nicht-Einreise“, die unter Wasser stattfindet – getragen von einer beeindruckenden Soundcollage.
Um Grenzübertritte geht es auch beim jungen Berliner Künstlerkollektiv „Peng!“. Dessen innovative Aktion dient dem Ziel, Flüchtlingen „mit den Mitteln des Kapitalismus“ ein Bleiberecht in der EU zu verschaffen. Erreicht werden soll das mit dem Verkauf von digitalen Kunstwerken – sogenannten NFTs (Non-fungible Tokens) – über die Blockchain. Der „big deal“ ist für Mittwoch, 20. Oktober, geplant. Der aktuellste Kunsthype ist damit auch in Aachen angekommen. Man darf gespannt sein.