Heerlen : Kulturzentrum Schunck widmet Mies van der Rohe eine Ausstellung
Heerlen Er gehört zu den 1000 bedeutendsten Bauten der Welt, wie die Union Internationale d’Architecture 1999 festgestellt hat: der Glaspalast im Heerlener Zentrum, eröffnet 1935 als Kaufhaus Schunck, für 30 Millionen Euro im Jahr 2000 restauriert, 2003 eröffnet als Kultureinrichtung mit Architekturzentrum, Musikschule, Filmhaus, Ausstellungshalle, öffentlicher Bibliothek, Ballettsaal und Café unter dem Namen Schunck — als Hommage an den Gründer, den Modekaufmann Peter Schunck.
Der Entwurf (1934) des niederländischen Architekten Frits Peutz galt zu seiner Zeit als revolutionär und war inspiriert von einem wesentlichen Mitbegründer des modernistischen Stils, der nicht weit entfernt davon geboren wurde: dem Aachener Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969). Beide — Schunck und Mies van der Rohe — finden im nächsten Jahr auf spektakuläre Weise zusammen in einer großen Ausstellung, die den Titel trägt „Mies & das Erbe der Moderne“. Beteiligt ist unter anderem die RWTH Aachen ebenso wie das Aachener Ludwig Forum.
Beton, Glas und Eisen bricht . . .
Beton, Glas und Eisen bricht, aber unsere . . . Liebe nicht zur klassischen Moderne der Architektur, sagten sich die Initiatoren der Schau um Schunck-Kuratorin Andrea Croé. So dauerhaft haltbar die von den modernen Baumeistern verwendeten, damals noch neuen Materialien auch wirken — sie verfallen genauso schnell wie ehedem der simple Stein.
Das Erbe der modernistischen Epoche ist in die Jahre gekommen — viele Bauten bedürfen einer grundlegenden Sanierung, um sie zu erhalten. Genau das ist das Thema der Ausstellung, die vom 9. April bis zum 7. August 2016 im Schunck stattfinden soll. Die wesentlichen Protagonisten stellten dort das ambitionierte Projekt jetzt im Rahmen einer zweistündigen Informationsveranstaltung vor.
Fünf Referenzbauten, Ikonen der Architekturgeschichte, entworfen von Mies van der Rohe, führen die aktuelle, schwierige Problemlage beispielhaft vor Augen — sie wurden oder müssen noch saniert werden: das Haus Tugendhat im tschechischen Brünn, die Crown Hall in Chicago, die beiden Hochhäuser 860-880 Lake Shore Drive am Michigansee in Chicago, die Carr Memorial Chapel in Chicago und die Seidenfabrik Verseidag in Krefeld.
Sie bilden den internationalen Sektor der Ausstellung, gegenübergestellt werden bauliche Beispiele aus der Region rund um Heerlen — solche, die vorbildhaft restauriert wurden, aber auch vernachlässigte oder bereits abgerissene Objekte. Die generelle Fragestellung lautet: Wie gehen wir mit dem modernistischen Architektur-Erbe um?
Zwei Experten der RWTH Aachen, Norbert Hanenberg vom Lehrstuhl Baukonstruktion an der Fakultät für Architektur, und Daniel Lohmann vom Lehr- und Forschungsgebiet Denkmalpflege und historische Bauforschung, gaben einen Einblick in die Schwierigkeiten bei der Sanierung solcher Bau-Ikonen am Beispiel Verseidag. Selbst die Originalfarbe des ursprünglichen Wandputzes gilt es, nach amateurhaften Instandsetzungen am verfallenden Bau der Seidenfabrik in aufwendiger Recherche zu ermitteln — von den Maßen der zu ersetzenden, über die Jahre wenig originalgetreu ausgetauschten Fenstersprossen gar nicht zu reden.
Hanenberg und Lohmann veranstalten mit ihren RWTH-Studenten regelrechte Recherche-Expeditionen nach Krefeld, um zum Beispiel mit der Sichtung in einschlägigen Archiven herauszufinden, wie der Originalzustand dieser Architektur-Preziose einmal ausgesehen hat. Dabei sind sie sicher, in einem verschollen geglaubten Archivschrank sogar eine originale Zeichnung aus Mies van der Rohes eigener Hand selbst aufgestöbert zu haben. Hanenberg und Lohmann sind mittlerweile gerne befragte Berater der Sanierer in Krefeld.
Aber natürlich soll die Schau, die an Aachener Ausstellungen und Feiern zum 100. und 125. Geburtstag des berühmten Sohnes der Stadt anknüpft, nicht nur den möglichst aufzuhaltenden Verfall von Mies van der Rohes Erbe zum Thema haben. Die Ausstellung will auch die Epoche der Moderne selbst und einen ihrer größten Wegbereiter mit seinen Werken einem breiten Publikum zugänglich machen.
Schau auch im Ludwig Forum
Das neudeutsch sogenannte „Szenografiebüro“ Chezweitz der Berliner Architekten Sonja Beeck und Detlef Weitz garantiert als Expertenteam die sinnlich und räumlich adäquat zu erfahrende Inszenierung der Mies‘schen Bauten unter Einsatz verschiedener Medien.
Mies van der Rohe als Kunstsammler, seine Beziehungen zu Picasso, Braque und Maillol sowie seine Collagen präsentiert das Aachener Ludwig Forum vom 27. Oktober 2016 bis zum 5. März 2017 in einer eigenen Ausstellung. Dabei geht es auch um die künstlerischen Wurzeln im Schaffen des Aachener Baumeisters, erklärte Annette Lagler, die stellvertretende Leiterin des Ludwig Forums.
Am kommenden Montag geht es in Gesprächen mit den Heerlener Ausstellungsmachern um die Beteiligung des Aachener Museums an dem Mies-Projekt. Im Vordergrund werden dabei wohl nach Annette Laglers Worten die Museumspädagogik und die Kunstvermittlung stehen. Überhaupt stellt das umfangreiche Rahmenprogramm mit Vortrags- und Diskussionsforen einen wesentlichen Bestandteil des ganzen Projekts dar.
Das Budget beziffert Schunck-Direktor Kor Bonnema mit 450 000 Euro. „Für uns eine echte Herausforderung.“ Sein Haus ist dabei selbst ein Gedicht und entspricht mit seiner Vollverglasung ganz der Devise Mies van der Rohes, Innen- und Außenraum aufs Schönste eins werden zu lassen.