Aachen : Künstliche Realität soll echten Kranken helfen
Aachen Leise zischend schließt sich die Tür. An allen vier Wänden zeichnen sich die Häuser einer fiktiven Stadt ab. Mit einem Joystick in der Hand und einer Stereo-Brille auf der Nase nimmt die Versuchsperson die mit Video-Beamern von außen hinein projizierten Gebäude zwar als künstlich, aber auch als räumliche, dreidimensionale Umgebung wahr.
Was jetzt noch wie ein besonders raffiniertes 3D-Spiel wirkt, könnte ab Januar den Mitarbeitern der Klinischen Neuropsychologie am Aachener Universitätsklinikum, aber auch den Mitarbeitern anderer Krankenhäuser bei der Therapie von Schlaganfall-, Schädel-Hirn-Trauma- und anderen Patienten mit einer hirnbedingten Störung der räumlichen Wahrnehmung helfen. Das komplizierte System, dessen Wirkung auf einem Zusammenspiel von Rechnern und Projektionsapparaten beruht, heißt „PathMan” und arbeitet mit künstlich erzeugter, virtueller Realität (VR). Entwickelt wurde es - unter Federführung der Neuropsychologen - von Wissenschaftlern des Interdisziplinären Zentrums für klinische Forschung (IZKF) am Uniklinikum gemeinsam mit der VR-Gruppe am Rechenzentrum der Hochschule.
Gebäude aus der Region
Da aber selbst die virtuelle Realität Wurzeln im Hier und Jetzt braucht, haben die Forscher für ihre 3D-Stadt den Grundriss von Maastricht benutzt. Außerdem, so Neuropsychologe Professor Walter Sturm, der „PathMan” mit seinem Fachkollegen Klaus Willmes-von Hinckeldey sowie mit Diplom-Informatiker Jakob Valvoda und Dr. Torsten Kuhlen vom Rechenzentrum entwickelt hat, haben Mitarbeiter in der gesamten Region Gebäude (unter anderem das Aachener Rathaus) fotografiert, die dann elektronisch auf dem Grundriss von Maastricht „aufgeklebt” wurden. Eine Namen hat die Stadt, die so im Computer entstanden ist, übrigens auch: „Eurade” wurde sie genannt.
Gang durch „Eurade”
Diese künstliche Wirklichkeit soll ab der Jahreswende heilen helfen. Und sie ist so variantenreich, dass der Patient mehr Möglichkeiten besitzt als sich nur mit dem umgerüsteten Joystick und einer Spezialbrille durch das Weichbild von Eurade zu navigieren. Die Wissenschaftler haben für eine Fülle von Hilfsmitteln gesorgt, mit dem sie das Orientierungsvermögen kranker Menschen wieder aufbauen können. So können sie etwa durch blinkende Werbeschilder, einen Funkturm im Hintergrund oder besonders auffälig gefärbte Fassaden Wegmarken schaffen, die das Zurechtfinden in einer Umgebung erleichtern. Das Wichtigste jedoch: Mit der künstlich erzeugten Wirklichkeit bekommen der Therapeut und seine Helfer ein Instrument in die Hand, das sie ihren Patienten „auf den Leib schneidern” können. Wie es wirklich hilft, wird man sicher erst im Laufe der Anwendungen erfahren.
Sinnlicher Endruck
Eine wesentliche Hilfe bei der Arbeit an „PathMan” war den Wissenschaftlern der „Cave”, über den das Rechenzentrum der TH Aachen am Seffenter Weg seit dem Juli 2004 verfügt. Im „Cave” werden virtuelle Umgebung von außen auf die Flächen eines begehbaren Würfels von drei Metern Kantenlänge projiziert, so dass die Versuchsperson den sinnlichen Eindruck gewinnt, in eine von Menschen geschaffene Realität förmlich einzutauchen. Dies fällt um so leichter, da der Aachener „Cave” über einen Bodenprojektor und vier Seitenwände, so dass die virtuelle Umwelt den Nutzer von allen Seiten umgibt.