Köln : Karger Schiller im hölzernen Gefängnis
Köln Warum nur erinnert diese Holzkiste so sehr an einen Sarg? Es muss an den blutleeren Bewohnern liegen.
Da hocken, sitzen, stehen sie, starr, blass, mit Augenringen. Das also soll das Personal von Schillers Sturm-und-Drang-Drama „Die Räuber” sein? Von der Bühne des Kölner Schauspielhauses gähnt eher die Verzweiflung nach dem Sturm, ödet die Lähmung nach dem Drang an.
Berührt es heute?
Aber das ist ja auch gar nicht so einfach. Wie kann die über 220 Jahre alte Kolportage-Geschichte einer zerfallenden Familie mit ihrer absurden Handlung, ihren verstiegenen Charakteren und überhitzten Leidenschaften heute noch berühren? Nimmt man die Gefühle ernst, dann muss man große Oper zelebrieren. Möchte man zumindest etwas Witz herauskitzeln, dann muss man sie ironisch brechen.
Der junge Prager Regisseur Dusan David Parizek scheint aber weder das eine noch das andere zu wollen. Was er mit Schillers Stück allerdings bezwecken möchte, bleibt sein Geheimnis. Offenkundig ist nur die Mühe des Kopisten: Parizek eifert wieder einmal recht vergeblich Regisseur Michael Thalheimer nach, dem Meister der Stücke-Reduktion, der Wort- und Körper-Konzentration.
So hat ihm denn auch Thalheimers Lieblings-„Kerkermeister” Olaf Altmann das hölzerne Gefängnis gebaut. Der Bühnenbildner hat anscheinend die böhmischen Räuberwälder abgeholzt und daraus eine breite Szenenkiste mit drei Riesenstufen gezimmert. Die Figuren in diesem Bauklotz-Bunker mit Playmobil-Männchen zu vergleichen wäre dennoch unpassend. So beweglich und spielfreudig sind sie nicht.
Denn Parizek „thalheimert” so trostlos wie möglich. Saugt sein Vorbild bei Dramen Fett ab, um Knochen bloß und Adern freizulegen, da bleibt bei Parizek nur ein zäher Klumpen Fleisch übrig. Seine Schiller-Fragmente lassen die Handlung nur noch erahnen, das auf die Hälfte zusammengestrichene Personal kann die Motive für sein Handeln kaum entfalten. Gegen welche Ordnung rebellieren zum Beispiel diese Räuber, die ihre Hemden und Krawatten zum unverständlichen Brüllen abstreifen?
Wo Schiller Menschen gemalt hat, stehen und sitzen bei Parizek Sprechautomaten. Leider ohne Stopp-Taste. Sie leiern die Worte meist schnell herunter - oft ins akustische Nichts. Und wo es Thalheimer in seinen besten Momenten gelingt, Schauspielerkörper mit erstarrten Posen und verrenkten Gliedern verzweifelt gegen das Gesagte ankämpfen zu lassen und so die Widersprüche einer Figur zu offenbaren, da vertraut Parizek der Verdopplung: Taucht etwa „Wollust” im Text auf, wird gerne die Brust entblößt; geht es um Sünde, wird ein Apfel gefressen - ein Biss ohne Erkenntnis.
Ein Lichtblick inmitten der Trübsal: Die Brüder Karl (Sven Walser) und Franz (Sébastien Jacobi) sind erfreulich gegen den Typ besetzt. Vor allem Franz muss nicht nur den Bösewicht markieren, er darf sich auch vor Liebesleid krümmen und greinen wie ein mutterloses Muttersöhnchen.
Harte Amalia
So übertrieben freilich, dass es nicht zu Herzen geht. Der Vater (Matthias Scheuring) präsentiert meist seinen Kummerspeck-Rücken, viel zu sagen hat er nicht mehr. Eine ganz Harte ist dagegen Amalia (Vanessa Stern): Die von den Brüdern Begehrte verteilt Ohrfeigen, Küsse und Degen-Stiche, dass es eine paradoxe Pein ist.
Da alle schon von Beginn an ziemlich am Ende sind, muss schließlich auch keiner sterben. Ratlos schauen die Figuren ins Publikum. Aus dem Radio plärrt: „Where is my mind?” Und der Zuschauer darf sich fragen: Wo war der Regisseur nur mit seinen Gedanken? Nach gefühlten drei Stunden haben sich 90 bleischwere Minuten durch die Kiste gewälzt.
Falls Parizek zum 200. Todestag Schillers beweisen wollte, wie tot die Worte des Klassikers heute erscheinen können, dann ist ihm das bestens gelungen. Pathetische Peinlichkeiten hat er den „Räubern” ausgetrieben. Leider auch jeden Lebensfunken.
„Die Räuber”, Schauspiel von Friedrich Schiller, 19.30 Uhr, Schauspielhaus Köln, Offenbachplatz, weitere Aufführungen: 15. und 21. März sowie am 3., 8., 12., 23. und 27. April, am 10. April 16 Uhr. Karten gibt es unter Tel. 0221/22128400.