Aachen : In Dianas Hain herrscht ein großes Durcheinander
Aachen Ein zappelndes Zwergkaninchen, Heidekraut aus der Pflanzkiste und ein frisch gemauerter hässlicher Raum (Bühne/Kostüme Constanze Fischbeck), in dem es neben Klapptisch und rotem Teppich einen Vorrat an Bierbüchsen gibt.
So sieht der Hain der Diana aus in Sascha Bunges Inszenierung des Schauspiels „Iphigenie auf Tauris” von Johann Wolfgang von Goethe, das jetzt in den Kammerspielen des Theaters Aachen Premiere hatte. Vom legitimen Versuch, einen Klassiker, der 1779 in Weimar uraufgeführt wurde, gegen den Strich zu bürsten, ist das weit entfernt.
Bettina Ernst zeigt eine herbe Iphigenie, die zwischen Erstarrung und tiefer unterdrückter Wut schwankt. Ihren Anfangsmonolog leiert sie geistlos herunter. Schon jetzt stellt man sich die Frage, warum Bunge so intensiv und mit zum Teil unsinnigen Textkürzungen daran arbeitet, jene Gedanken von Humanität, risikobewusster Aufrichtigkeit und Selbstbestimmung völlig auszuschließen.
In Goethes Dichtung - ob es einem gefällt oder nicht - spielen sie eine Rolle. Nun aber stapft eine wenig beherrschte Priesterin mit durchsichtiger Strumpfhose sauertöpfisch vor dem Königsboten Arkas (berührend, Heino Cohrs) auf und ab. Lorenz Claussen ist ein unter seinem Konflikt leidender Thoas. Dennis Pöpping und Peter Priegann verkörpern die Freunde Pylades und Orest mit Ausstrahlung.
Um so bedauernswerter, dass sie zu unsinnigen Aktionen verpflichtet sind. Kann man die Wiedersehensfreude der Geschwister nur mit wildem Geklimper auf dem Klavier darstellen? Muss beim Wahnsinnsmonolog des Orest das Kaninchen alle Blicke auf sich lenken? Und wenn Iphigenie eine Zweiliter-Flasche Wasser in einem Zug austrinkt - soll das ihren Freiheitsdurst vermitteln?
Wenn der sicherlich ernsthaft betriebene Ansatz, auch Gefühle von Fremde und Unterdrückung zu thematisieren, in detailverliebten Spielchen mit Requisiten, Projektionen und Musik stecken bleibt, verpufft jener zeitlose Sinn, der in Goethes Text bis heute lebendig ist. Da nützt selbst ein ausgezeichnetes Ensemble nichts.