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Eupen: Im Alten Schlachthof weht frischer Wind

Eupen : Im Alten Schlachthof weht frischer Wind

Er riecht nicht danach, sieht nicht so aus, und „alt“ wirkt er schon gar nicht — im Gegenteil: der Alte Schlachthof in Eupen. Das komplexe Gebäude-Ensemble aus preußischer Zeit, erbaut zu Anfang des 20. Jahrhunderts, erlebt nach dem Ende des Schlachthofbetriebs 1991 und einem 24-jährigen Dornröschenschlaf ein sagenhaftes Wiedererwachen.

Als Kulturzentrum Eupen, als eine Bühne für Musik, Theater, Tanz, Literatur, Kabarett, Puppenspiele, Ausstellungen und sonstige Happenings jedweder Art. Allein am Eröffnungswochenende verzeichnete die schmucke neue Errungenschaft der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens (DG) 4500 Besucher.

Auftakt: „gestern war heute“

Ein genialer Auftakt garantiert dabei, dass die Eupener Bürger sich auf Anhieb in einem gelungenen Identifikationsangebot wiederfinden: „gestern war heute“ lautet der Titel der Eröffnungsausstellung, die den Alten Schlachthof und seine Stadt multimedial und in vielerlei Facetten im Wandel der Zeit präsentiert.

Allein die Backsteinfassade im Stil der Gründerzeit erinnert noch an die industrielle Vergangenheit, und der Grundriss, der weitgehend erhalten blieb nach der Kernrenovierung. 7,9 Millionen Euro hat der Umbau gekostet, getragen von der Deutschsprachigen Gemeinschaft, der Stadt Eupen und der Wallonischen Region. Kühlraum, Kesselraum, Maschinenhalle — dem Lütticher Architekten Daniel Dethier war es wichtig, die Struktur und den Charakter des Schlachthof-Gebäudes mit seinen vielen Räumen zu erhalten. Mitunter findet sich der Besucher unter den alten Förderschienen wieder, auf denen die armen Schweine ihrer Zerteilung entgegenglitten.

Die Ausschreibung für einen kompetenten Betreiber gewann der Eupener Kulturverein mit dem so schön russisch klingenden Namen Chudoscnik Sunergia, was so viel heißen soll wie „Verschmelzung der Künstler“. Er gründete sich 1991 nach dem Fall der Mauer und wurde von Anfang an getragen vom Impetus, westliche und östliche und überhaupt alle Künste zu vereinen.

Seither organisieren 70 ehrenamtliche und acht hauptamtliche Mitglieder zahlreiche Kunst- und Kulturveranstaltungen im Eupener Ländchen. 2014 waren es 83 mit über 200 Künstlern. „Jetzt haben all diese Angebote, die bislang auf viele Orte verteilt waren, ein Zentrum gefunden“, erklärt Björn Marx, der Pressereferent des Kulturzentrums.

Die Ausstellung „gestern war heute“, kuratiert von einem ganzen Team um Verleger Alfred Küchenberg, Herausgeber der Zeitung „GrenzEcho“, und maßgeblich Benjamin Fleig, ist dabei absolut auf der Höhe der Zeit: Der Fotograf Christian Roosen thematisiert die Flüchtlingsproblematik mit einem eindrucksvollen Schaubild für Integration aus Porträts von ausländischen Eupener Bürgern, das die Besucher mit roten Verbindungsleinen und ihrem Namen ergänzen können, sobald sie darauf Bekannte entdecken.

Im Kühlraum zeigt der Zeichner Herbert Johnen 24 Abbildungen von Kreuzen aus Eupener Kapellen; eine audiovisuelle Installation präsentiert mit bewegten Bildern und gesprochenem Text die multimediale Umsetzung des Buchs „Reise durch Ostbelgien“ des Journalisten Freddy Derwahl. Keine Frage, dass eines der wichtigsten Eupener Kulturgüter überhaupt in der Schau auch nicht zu kurz kommt: Der Lütticher Künstler Jacques Charlier hat 2007 den Karneval mit einer mausoleumsartigen Glassarg-Installation samt innenliegenden närrischen Utensilien geehrt und persifliert zugleich.

Die beiden deutschen Architektinnen Heike Kussinger-Stankovic und Octavia Zanger dokumentieren in einer wissenschaftlichen Abteilung der Ausstellung im Kesselraum in 18 Stationen die „Eupener Baukultur — Von Preußen bis Belgien“.

Was für ein Angebot — Alfred Küchenberg freut sich denn auch, dass die Eupener das Kulturzentrum so schnell als das Ihre angenommen haben: „Damit ist eine 50-jährige Odyssee endlich zu Ende gegangen.“ So lange nämlich schon ist nach vielen vorübergehend genutzten Quartieren eine solche Einrichtung in Eupen herbeigesehnt worden. Ein Gewinn ist allein die zentrale Konzerthalle mit 700 Stehplätzen, bestuhlt 300.

Das vielfältige Programm ist dabei keineswegs auf Ostbelgien beschränkt, das beweist allein der nächste „Act“ am Freitag, 18. September: Dann stellt hier um 20 Uhr Rüdiger Esch, Ex-Bassist von Die Krupps sein Buch „Electri_City: Elektronische Musik aus Düsseldorf“ im Rahmen des Lit.Eifel-Festivals vor — in einer „sound- und videoanimierte Lesung“. Als Gast mit dabei: Wolfgang Flür, ehemaliges Mitglied der legendären Band Kraftwerk.

Nach der Lesung werden Solyst und Mr. Mück praktizierenderweise zu den gegenwärtigen Auswüchsen der Düsseldorfer Elektromusik-Schule hinführen. Und das alles an einem Ort, der „Alter Schlachthof“ heißt . . .