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London: Ihr allerliebstes Werkzeug bleibt die Schreibmaschine

London : Ihr allerliebstes Werkzeug bleibt die Schreibmaschine

Doris Lessing hat keine Zeit, zu ihrem 85. Geburtstag am Freitag eine Party zu geben. „Damit warte ich bis zum 90., wenn ich dann noch lebe”, sagt die Schriftstellerin.

Lessing, die sich ein Leben ohne zu schreiben nicht vorstellen kann, hat immer zu tun. In ihrem dreistöckigen Haus in einer ruhigen Wohngegend in Nord-London lebt Lessing auch im hohen Alter noch allein. Ihre Katze Yum-Yum ist ihr ständiger Begleiter.

Das Werkzeug der Schriftstellerin ist - immer noch - die Schreibmaschine. Irgendwann müsse sie das Arbeiten am Computer erlernen, sagt Lessing. „Wissen Sie, es wird immer schwieriger, Farbbänder für die Schreibmaschine zu bekommen.” Im früheren Rhodesiens (heute Simbabwe) wuchs sie auf und begann als 16-Jährige zu schreiben.

Mit Leidenschaft redet Lessing über ihr jüngstes Buch, „Ein Kind der Liebe”, das gerade in deutscher Fassung erschienen ist.

Die Geschichten von den beiden befreundeten Großmüttern, die verhängnisvolle Affären mit dem Sohn der jeweils anderen beginnen, und die des Soldaten, der im Zweiten Weltkrieg ein „Kind der Liebe” zeugt und es nach seiner Heimkehr vergeblich sucht, beruhen laut Lessing auf wahren Begebenheiten.

Einen dritten Band ihrer Autobiografie wird es nicht geben. Die beiden existierenden Bände, „Unter der Haut” (1994) und „Schritte im Schatten” (1997), vollziehen Lessings Leben bis 1962 nach.

Sie könne es ihren Freunden „nicht antun”, über die 60er Jahre zu schreiben. „Viele von ihnen sind jetzt mittleren Alters und sehr bekannte Leute. Es könnte sehr peinlich für sie werden”, sagt Lessing.

An die 60er Jahre erinnert sie sich mit Wehmut. „Die Leute glaubten damals an eine bessere Welt. Heute leben wir in Dekadenz.”

Als „Ersatz” für eine Fortsetzung der Biografie-Serie hat Lessing ihre Eindrücke, Erlebnisse, Freundschaften und Erfahrungen der damaligen Zeit in dem 2003 erschienenen Roman „Ein süßer Traum” festgehalten.

In London erschien Ende September die Essay-Sammlung „Time Bites”. In den bisher unveröffentlichten Texten teilt Lessing dem Leser ihre Gedanken zum Liebesleben von Tolstoi ebenso mit wie ihren Schmerz über „die Tragödie Simbabwe” oder den Aufenthalt in einem Hotel in Heidelberg.

Immer wieder wundert sich Lessing über die nachhaltige Beliebtheit ihres 1962 veröffentlichten Romans „Das goldene Notizbuch”, der zum Kultbuch der Frauenbewegung wurde. „Das Buch hat eine große Vitalität. Es war die Zeit, in der ich lebte.”