Aachen : „Ich bin eben ein Popmusiker aus Afrika”
Aachen Seit er Mitte der Achtziger als Gastsänger auf Peter Gabriels „So”-Album auftauchte, gilt Youssou NDour, der am Donnerstag im Aachener Rathaus den Unesco-Musikpreis erhält, in der westlichen Hemisphäre als die Ikone für afrikanische Musik schlechthin.
In Afrika genießt der Sänger aus der senegalesischen Hauptstadt Dakar hingegen einen völkerverbindenden Status, der sogar mit dem von Nelson Mandela vergleichbar ist.
Seiner Rolle als Botschafter für afrikanische Befindlichkeiten ist sich der Mann mit der gleichsam voluminösen wie samtenen Stimme durchaus bewusst.
So nutzte Youssou NDour seine Popularität nicht nur als Sprachrohr für Amnesty International, sondern gründete gleich zwei Organisationen, die sein soziales Verantwortungsbewusstsein unterstreichen. Wir trafen den den Musiker in Paris.
Was bedeutet Ihnen die Auszeichnung mit dem Unesco-Musikpreis 2004, der ihnen in Aachen verliehen wird?
NDour: Ich fühle mich persönlich geehrt und empfinde den Unesco-Preis als Anerkennung für meine Arbeit mit den beiden Organisationen, die ich ins Leben gerufen habe. Darüber hinaus bin ich aber insbesondere als Musiker stolz darauf mit einem Preis bedacht zu werden, der an Persönlichkeiten verliehen wird, die sich sowohl um die Musik als weltweites Kommunikationsmittel, wie auch um gesellschaftliches Engagement verdient gemacht haben.
Sehen Sie einen Unterschied in der Wahrnehmung von Musik als Kulturgut im Vergleich zwischen Afrika und der westlichen Welt?
NDour: Natürlich. In Europa und Amerika hat Musik viel mehr mit Geschäftemachen zu tun als in Afrika. Hier wird Musik kategorisiert und vermarktet. In Afrika ist Musik hingegen ein essentielles Kommunikationsmittel. In einem Kontinent, in dem sich die Menschen nicht mal eine medizinische Basisversorgung leisten können, gelten Fernseher, Radios und Zeitungen als absolute Luxusgüter. Ich stamme mütterlicherseits aus einer Griot-Dynastie. Griots sind Geschichtenerzähler, die von Dorf zu Dorf ziehen und Geschichten, Neuigkeiten und Botschaften über die Musik verbreiten.
Welche Ziele verfolgt Ihre Joko-Organisation?
NDour: In meiner Muttersprache Wolof, bedeutet Joko soviel wie Verbindung oder Vereinigung. Mit der Organisation versuche ich den Menschen im Senegal die Möglichkeiten des Internet zu erklären und ihnen einen Zugang zu dem Medium zu ermöglichen. Ich bin davon überzeugt, dass das Internet zur dringend notwendigen, ökonomischen Entwicklung meines Heimatlandes und des gesamten afrikanischen Kontinents beitragen kann.
Als wir das Projekt im Jahr 2001 starteten, haben wir binnen kürzester Zeit nahezu 2000 Menschen, von denen viele Analphabeten waren, in die Nutzung des Internets eingeführt. Diese Personen haben nicht nur Lesen und Schreiben gelernt, sondern bilden jetzt wiederum andere Landsleute aus. Aber auch hinsichtlich der Aufklärung zum Thema Aids angeht, ist das Internet neben der Musik das glaubwürdigste und interessanteste Medium für viele Afrikaner.
Sie gelten als prominentester Vertreter der sogenannten Weltmusik. Sehen Sie sich tatsächlich als Weltmusiker oder fühlen Sie sich durch diesen Begriff stigmatisiert?
NDour: Natürlich bin ich einerseits ein Weltmusiker, weil meine Musik auf der ganzen Welt gehört wird. Aber Freunde und Kollegen wie Peter Gabriel und Paul Simon gelten ja nun auch eher als Popmusiker denn als Weltmusikanten.
Mit dem Begriff Weltmusik geht oft eine unterschwellige Suggestion einher, die unterentwickelte Musik meint. Das ist insofern unglücklich, als dass Rhythmen, die in der westlichen Popmusik verwendet werden, ihren Ursprung in Westafrika haben. Ich bin eben eine Popmusiker aus Afrika. Die Beschreibung akzeptiere ich.
Welche Botschaft transportieren Sie für Ihre Zuhörer im Westen?
NDour: Dass Afrika weit mehr zu bieten hat als Hunger, Aids und Kriege. Es ist ein Kontinent mit einem unglaublichen Reichtum an Kultur und Kreativität. Die nach mir benannte Foundation sammelt Gelder für den Kampf gegen Aids und Hunger, bietet jungen Senegalesen aber andererseits auch die Möglichkeit, ihre kreativen Kräfte zu entwickeln. Denn es ist eine Sache, sie vor Aids zu schützen. Aber sie zur Eigenverantwortung zu erziehen, erreicht man am besten dadurch, dass man ihr Selbstbewusstsein stärkt. Das versuche ich.
Werden Sie in Aachen auch live zu hören sein?
NDour: Ja, ich werde mit einer kleinen Besetzung vier oder fünf Lieder aus meinem Repertoire spielen. Und zwar hauptsächlich aus meinem neuen Album „Egypt”, in dem ich die muslimische Sufi-Kultur des Senegal zelebriere.
In meinen früheren Alben habe ich vor allem senegalesische Musiktraditionen nach Außen, in die westliche Welt getragen. Mit „Egypt” reflektiere ich dagegen die mystischen Traditionen, spiritueller, senegalesischer Musik.