Aachen : „Hello, Dolly!“ im Grenzlandtheater: Mit dem Cadillac in die 60er Jahre
Aachen Eine kleine Sensation soll er werden und rot-metallisch glänzen, damit darf er aber nicht die Beleuchtungstechnik ausbremsen: Wenn im Grenzlandtheater Aachen am Freitag, 11. Dezember, um 20 Uhr, die ersten Takte des Musicals „Hello Dolly“ erklingen, schwingen lautlos die Türen eines außergewöhnlichen Wagens auf, an dem das große Team rund um Werkstattleiter Jochen Wildschütze und die Schreiner Markus Hartmeier und Tillmann Gillessen noch bis zur letzten Minute tüftelt, schleift und poliert.
Die Stretchlimousine füllt mit ihren 9,20 Meter Länge und zwei Meter Breite fast die gesamte Bühnenfläche. Das Riesen-Spielzeug ist ein Cadillac, komplett aus Holz gefertigt. Für die singenden, tanzenden und sprechenden Akteure wird das Gefährt zum Handlungsort der munteren Story rund um Liebe, Sehnsucht und Witwe Dolly Meyer, die eifrig Heiratswillige verkuppelt und plötzlich selbst Herzklopfen hat — beim grummelnden Horace Vandergelder.
Regisseur Ulrich Wiggers, Musical-Spezialist für die kleine Grenzlandtheater-Bühne, wird die Geschichte in Szene setzen. Bühnenbildner Matthias Winkler — auch er ein häufiger Gast in Aachen — hatte die Auto-Idee. Was im Modell noch niedlich ausschaut, ist in der Umsetzung eine echte Herausforderung. „Der Wagen besteht aus 35 Einzelteilen, er muss ja zerlegbar sein wie ein Puzzle, wenn das Stück durch die Region tourt“, meint Tillmann Gillessen, der mit Hilfe eines speziellen Computerprogramms den Zuschnitt der unterschiedlichen Stücke aus verschiedenen Holzsorten mit ihren sanften Rundungen in 3D-Technik vorbereiten konnte.
„Alles, was rund ist, ist sehr kompliziert“, versichern die Schreiner, die sich über ihre Aufgabe freuen. „Da sieht man mal wieder, wie viel Handwerk in so einer Produktion steckt“, betont Wildschütze. Das Dach des Gefährts muss zudem nicht nur Schauspieler, sondern auch die Musiker der Band tragen. Dahinter prangen rote Hibiskusblüten auf gelbem Untergrund — ganz im Stil der 60er Jahre, alle von Hand mit Schablonen und Sprühdose aufgetragen. „Wir haben in alten Fotos gekramt, um möglichst viele Details zu finden“, erzählt Wiggers.
Dabei tauchte besagte Limousine auf, auf einem Foto aus New York, das einen klassischen 1958er Cadillac zeigte und alle begeisterte. Als der vereinfachte Entwurf fertig war, stand der Entschluss fest, „Dolly“ vom ursprünglichen Handlungsjahr 1890 zu befreien. Nur bei den Rädern wird ein bisschen gemogelt. Die Leihgaben eines Aachener Autohändlers stammen zwar tatsächlich von einem amerikanischen Wagen, allerdings nicht von einem Cadillac. Zunächst sollte der Wagen übrigens in Pink erstrahlen, aber das war zu bonbonfarben. Jetzt verschwindet die Holzmaserung unter einem kräftigen Rot.
Regisseur und Bühnenbildner bauen auf die Fantasie der Zuschauer und den Spielwitz der handelnden Personen, denn ob Hutgeschäft, Straße oder Kaufmannsladen — alles spielt im, auf und rund um dem Cadillac. In manchen Szenen sind das bis zu 15 Personen. Das Grundgestell aus Stahl und die gleichfalls stählernen Gelenke werden das aushalten, die Tragkraft des Cadillac beträgt rund fünf Tonnen. Die abgehobene Bühne auf der Bühne ist besonders spannend für Dolly-Hauptdarstellerin Juliane Dreyer. „Ich habe leichte Höhenangst“, gesteht sie. „Und mit hohen Absätzen dort oben zu agieren, ist gewöhnungsbedürftig.“
Musical und Film
Wie sieht Wiggers „seine“ Dolly? „Natürlich ist sie flott, sogar jugendlich, aber sie ist auch jemand, der sich um andere kümmert, so ein bisschen eine Mutti, die aber selbst irgendwie zu kurz kommt“ sagt der Regisseur.
Für Wiggers ist „Hello Dolly“ bereits die sechste Musical-Produktion für das Grenzlandtheater. Auch diesmal kamen aus dem Umfeld wieder neugierig-erstaunte Fragen, wie man ein solches Musical überhaupt in Aachen inszenieren kann. Ulrich Wiggers lacht dann und sagt: „Lasst euch überraschen!“
Der von Gene Kelly gedrehte amerikanische Musicalfilm aus dem Jahr 1969 mit Barbra Streisand und Walter Matthau in den Hauptrollen, der auf dem gleichnamigen Broadway-Musical von Jerry Herman (Buch und Gesangstexte) nach einem Buch von Michael Stewart aus dem Jahr 1964 basiert, ist für ihn keine Konkurrenz, im Gegenteil. Die Nähe zum Publikum, so Wiggers, lässt Feinheiten und Ironie zu.
Und statt einer breiten Streicherbesetzung gibt bei dieser Produktion swingende Arrangement, für die Damian Omansen, musikalischer Leiter der Produktion, das Werk Ton für Ton neu zusammensetzt. Eins bleibt: „Hello, Dolly“, der Song, den alle kennen.