Neues Buch von Ottessa Moshfegh : Grandioses Horror-Anti-Märchen
In ihrem neuesten Meisterwerk „Lapvona“ entwirft Ottessa Moshfegh ein mittelalterliches Panoptikum menschlicher Monstrosität und trifft damit den Nerv unserer Zeit.
Die 41-jährige Ottessa Moshfegh hat sich mit einer Handvoll Romanen den Ruf als eine der derzeit besten US-amerikanischen Schriftstellerinnen erschrieben. Das liegt daran, dass ihre Geschichten und Charaktere ungewöhnlich sind, sich jedes ihrer Bücher anders liest, und Moshfegh darüber hinaus virtuos erzählen kann.
Nachdem sie in „Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“ über eine Frau in New York schrieb, die sich dazu entschloss, ein Jahr ihres Lebens zu verschlafen, ist nun ihr fünfter Roman „Lapvona“ erschienen. Er spielt in einem mittelalterlich anmutenden Dorf und liest sich wie ein grauenvolles Anti-Märchen.
Moshfegh ist in „Lapvona“ das Kunststück gelungen, dass keine der Romanfiguren auch nur ein bisschen sympathisch ist. In dem Ort Lapvona fristen die Bewohner ihr Dasein in absoluter Armut. Anders als der wahnsinnige Fürst und Herrscher des Dorfes, der auf einem abgeschiedenen Schloss lebt. Während es ihm an nichts fehlt und er seine Angestellten dazu zwingt, ihn pausenlos etwa mit Witzen zu unterhalten, sucht eine schreckliche Dürre das Dorf heim.
Moshfegh lässt keine Grausamkeiten aus, erzählt in drastischen Details von Kannibalismus und Inzest, dem sich die Bewohner in ihrem Leiden anheimgeben. Als Fixpunkt haben sie den Glauben, der ihnen Erlösung nach dem Leben auf Erden verspricht. Währenddessen residiert der erschreckend einfältige Dorfpriester in schwelgerischem Luxus beim Fürsten auf dem Schloss.
Im Zentrum der Geschichte steht aber der bucklige Dorfjunge Marek, der durch einen aberwitzigen Einfall des Fürsten plötzlich ins Schloss ziehen darf und sich fortan zu Höherem berufen glaubt. Doch er ahnt nicht, wie grausam nicht nur die Not, sondern auch die Sättigung den Menschen macht
Das Buch lässt sich (wie schon der Vorgängerroman) als Parabel auf den Kapitalismus lesen, allerdings nie mit Zeigefinger. Mit ihrem klaren, eleganten Stil sorgt Moshfegh dafür, dass man das Buch trotz des Horrors nicht aus der Hand legt.