Aachen : GMD-Nachfolge: Am Mittwoch könnte die Entscheidung fallen
Aachen Wie auch immer die Entscheidung ausgehen wird: Sowohl der 1979 geborene Kazem Abdullah als auch der zwei Jahre ältere Enrico Delamboye konnten mit ihren anspruchsvollen Programmen überzeugen. Beide verstehen ihr Handwerk.
Der von Marcus Bosch in Gang gesetzte Höhenflug des Aachener Orchesters dürfte so oder so nicht gefährdet sein. Auch wenn ein Vergleich der beiden Kandidaten sehr schwierig ist, ergaben die Konzertabende doch einige Anhaltspunkte.
Ausstrahlung und Orchesterarbeit:Enrico Delamboye nimmt durch seine akkurate Probenarbeit und seine handwerkliche Solidität für sich ein. Am Pult wirkt er wie ein fleißiger und sachkundiger Arbeiter, der allerdings mit seinem großen Körpereinsatz bisweilen weniger erreicht als sein amerikanischer Kollege mit seiner sparsamen, aber treffsicheren Gestik. Das schlägt sich bei Abdullah in subtilen dynamischen Feinheiten und einer makellosen Klangschönheit nieder.
Keine Frage: Kazem Abdullah verströmt das größere Charisma und steuert das Orchester mit beeindruckender Überlegenheit und Ruhe durch die heikelsten Klippen. Und mit den nicht gerade einfachen akustischen Bedingungen im Eurogress kam der Amerikaner auf jeden Fall besser zurecht.
Erfahrung: Der Niederländer Delamboye, der in Maastricht studiert hat, ist mit den Mechanismen eines Opern- und Konzertbetriebs in Deutschland sehr vertraut. Mancher mag ihn noch aus seiner Zeit als Kapellmeister an der Kölner Oper in Erinnerung haben dürfen, zuvor war er an den Häusern in Wiesbaden, Mainz und Wuppertal engagiert. Seit 2009 arbeitet er als Musikdirektor und Chefdirigent am Theater Koblenz.
Über Erfahrung als Chefdirigent eines Opern- und Konzertorchesters verfügt Abdullah nicht. In seiner Zeit an der New Yorker Metro-politan Opera, wo er berühmten Dirigenten wie Kirill Petrenko, Lorin Maazel und James Levine assistiert und Produktionen einstudiert hat, hat er jedoch gelernt, was Opernarbeit bedeutet. Nach Bosch, der das deutschsprachige Repertoire von der Klassik bis zur Moderne mit vorbildlicher Intensität gepflegt hat, könnte Abdullah zudem mit seinen amerikanischen Erfahrungen interessante neue Akzente setzen.
Reaktion des Publikums und des Orchesters: Das Aachener Publikum begegnete beiden Kandidaten mit sehr viel Offenheit, Wohlwollen und Spannung. Abdullah wurde stürmisch mit Standing Ovations gefeiert, die gab es für Delamboye ebenfalls, wenn auch - zumindest beim ersten Konzert am Sonntagabend - etwas reservierter. Das gilt übrigens auch für den Applaus des Orchesters.
Wie geht es weiter? Die zehnköpfige Findungskommission berät schon am morgigen Mittwoch über die Personalie. Das Ergebnis soll nicht offiziell bekanntgegeben werden. In sieben Tagen, also am Dienstag, 22. November, behandelt der zuständige Betriebsausschuss Theater/VHS die Bosch-Nachfolge in nichtöffentlicher Sitzung. Das formal letzte Wort hat dann der Aachener Stadtrat, der am 14. Dezember zusammenkommt.