Streaming bei Apple TV+ : Geschliffene Dialoge und expressionistische Bilder
Joel Coen hat zum ersten Mal einen Film ohne seinen Bruder Ethan gedreht: Shakespeares „Macbeth“ mit Denzel Washington und Frances McDormand.
Das Solo-Regiedebüt von Joel Coen ist mal ein Coen-Film, bei dem es nichts zu lachen gibt. Freude kommt bei Shakespeares Tragödie „Macbeth“ trotzdem auf, angesichts der exquisiten Darstellerriege und der erlesenen Gestaltung.
Man könnte eine lustige Szene in der Art von „Fargo“ schreiben, in der die Frau (Frances McDormand) eines Regisseurs (Joel Coen), der mit seinem Bruder (Ethan Coen) Erfolge feiert, dem Gemahl im Stile der Lady Macbeth einflüstert, doch mal was Eigenes zu machen. Und sie selbst dann gleich prominent zu besetzen. Wie es zum ersten Coen-Solo überhaupt kam, interessiert aber eigentlich nicht. Wichtig ist, dass „Macbeth“ ein großer Wurf mit eigener Handschrift ist!
Großartig im Wahn
Schon die Hexen-Szene zum Auftakt erweist sich als cineastisches Festmahl – im Gegensatz etwa zu Roman Polanskis berühmtem Vorgänger von 1971 mit viel nackiger Maske und Hippie-Einflüssen. Hier beeindruckt die zentrale Prophezeiung zum Schicksal des gerade siegreichen schottischen Feldherrn Macbeth (Denzel Washington) durch Reduktion: Die bekannte britische Schauspielerin und Theaterregisseurin Kathryn Hunter spielt eine dunkle Hexe mit heftigen Verrenkungen, die anderen beiden kommen durch Schatten hinzu, bevor alle als digital getrickste Raben davonfliegen. Schwarz-weiß ist übrigens der ganze Film, dazu im strengen, altmodischen Academy-Format fast quadratisch.

Zu Hause macht die eiskalte Lady Macbeth (Frances McDormand, auch als Koproduzentin im Einsatz) dem schlaffen Gatten mit Shakespeares fein geschliffenen Dialogen kräftig Druck, doch zuerst den großzügigen König und dann gleich wahnsinnig viele andere Konkurrenten umzubringen. Der Rest ist nicht Schweigen, sondern feinste Schauspielkunst. Denzel Washington versucht sich gar nicht erst an schottischem Dialekt, er ist in Artikulation und gestischen Manierismen lange er selbst und dann im überwältigenden Wahn nur noch großartig. Coen beließ es beim Originaltext, kürzte aber kräftig ein.
Auch Frances McDormand hat schöne Szenen. Doch bemerkenswerter ist die gemeinsame Arbeit von Setdesign und Kamera (Bruno Delbonnel): Die kunstvollen Kulissen werfen harte Schatten wie im expressionistischen Film. Das Schloss ist eher eine reduzierte Idee, eine Skizze des Gebäudes denn ein Abbild. Eine perfekte Umgebung für ein starkes und kurzweiliges Stück Theaterverfilmung, das ganz weit weg von der Bühne ist.
„Macbeth“ wird derzeit in vereinzelten Kinos gezeigt, aber nicht in der Region Aachen. Ab 14. Januar ist er bei Apple TV+ zu sehen. ★★★★★
„Macbeth“ (USA 2021), Regie: Joel Coen, mit Denzel Washington, Frances McDormand, Bertie Carvel, 105 Min., FSK: ab 16