1. Kultur

Aachen: Es scheppert, zischt und klirrt: Aktiv mit „Activity”

Aachen : Es scheppert, zischt und klirrt: Aktiv mit „Activity”

Schade, dass Tänzerin Annalisa Derossi den Aktenkoffer nicht ausgewählt hat: Im doppelten Boden hatte Gruppe Nr. 2 eine Rose versteckt, aber das konnte die Künstlerin ja nicht wissen.

Diese und viele andere Spannungsmomente bietet das John-Cage-Spiel „Activity - Sei dein eigener Komponist”, das Chefregisseur Ludger Engels zusammen mit Annalisa Derossi für ein experimentierfreudiges Publikum im Mögens des Theaters Aachen entwickelt hat.

Sechs Gruppen, sechs Orte und viele Requisiten, die zum jeweiligen Finale eines Abends im weiß markierten Viereck des schwarzen Bühnenraums zur Verfügung stehen. Wer eine Eintrittskarte hat, erhält eine Spielanleitung, auf der eine große Nummer steht. Das ist die Gruppe, in die man sich zu begeben hat.

Jeder Trupp hat einen Scout, der sogleich mit seinen „Schäfchen” losgeht, denn „Activity” bedeutet Aktivität. Damit es nicht zum Gedränge kommt, ist die Reihenfolge der Spielorte bei jeder Gruppe unterschiedlich. Zur Premiere übernimmt auch Regisseur Engels die Scout-Funktion und eilt mit langen Schritten, einem Plastikkörbchen und einem Aufnahmegerät Richtung Schreinerei.

Hier wird wie an den nächsten fünf Orten gewürfelt, und auf dem Laufzettel findet sich zur Augen-Zahl des Würfels eine Aufgabe: „Lassen Sie zwei Holzleisten mit einem Handhobel bearbeiten und erzeugen Sie dann damit verschiedene Rhythmen...” Schreiner Stanislav Kasalo steht freundlich bereit und schon fliegen die Späne. Das zischende Geräusch des Hobels ist die erste Klangbeute der Gruppe, die rasch weiterwandert.

Die ausgetretene Holztreppe im Nebengebäude hat seit den Tagen, als hier eine Nadelfabrik war, keine Veränderung erfahren. Im Obergeschoss wartet hinter einem Wall aus Bügelbrettern Gewandmeisterin Mascha Pohl, die nach Wahl der Gruppe zur Schnittvorlage für eine Kinderweste greift. Das „Schnurpsen” der Schere - wieder ein Klang, der gesammelt wird.

Station drei: Claus Röttgerding, Leiter der Kaschierwerkstatt, in der gruselige Gestalten gelassen auf die Gäste herabblicken, hat im Handumdrehen ein Fragezeichen aus luftig leichtem Styropor geschnitten, und die Gruppenmitglieder bringen das Objekt zum Quietschen. Leicht angeknackst wandert es ins Körbchen, denn alles muss später auf der Bühnenfläche liegen.

In der „Abschlachterei” warten Requisiten, die man noch gebrauchen kann, auf die nächste Inszenierung. Es gibt einen Gabentisch mit Pistolen, einer dicken Geldbörse, einem Buddha und einem Stück Plastikkäse. Jeder wählt, jeder beschreibt sein Wunschstück, das Aufnahmegerät läuft. Im Büro der Dramaturgie gilt es, den Probenplan zügig vorzulesen - nicht so leicht bei all den Kürzeln und Zungenbrechern.

Letzte Station Schlosserei: Josef Mills hat fürsorglich die Metallplättchen abgerundet, damit sich niemand verletzt. Ohrenbetäubend scheppern und klingeln Metallrohre gegen die Werkbank oder rollen klirrend über den unebenen Betonboden. Nach und nach treffen sich die Beteiligten im Bühnenraum. Hier sitzt Schauspieler Rainer Krause am Mikrofon, wo er die Tonmischung mit Textteilen bereichert, während Tänzerin Derossi zwischen den Requisiten wandelt, die an die Überbleibsel einer Überschwemmung erinnern.

In der frisch gemixten Klangcollage erkennt man das Holz- und Metallspiel der jeweiligen Gruppen, den Hobel, die Schere, das Quietschen. Die Tänzerin entwickelt daraus blitzschnell winzige Tanz-Geschichten, die leidenschaftlich, rührend, lustig oder tragisch sind. Und alle sind begeistert. Ein gelungener, intensiver Abend der besonderen Art. Sämtliche Aufführungen kann man im Internet bei Facebook ansehen.

Termine: Mörgens, Hubertusstr.: 18., 19., 20. Juni, 11 Uhr; 4. Juli, 12 Uhr, 10., 12., 13. Juli, 20 Uhr.