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Doku über den Fall Relotius: Einer der größten Hochstapler

Doku über den Fall Relotius : Einer der größten Hochstapler

Alles erstunken und erlogen: Sehenswerte Sky-Dokumentation über den journalistischen Hochstapler Claas Relotius, der den „Spiegel“ 2018 in eine schwere Krise stürzte.

Er stürzte das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in eine schwere Krise und gilt als einer der größten Hochstapler in der deutschen Mediengeschichte: Claas Relotius, der preisgekrönte Journalist, der viele seiner Reportagen manipulierte, fälschte oder komplett erfand. Nachdem ein Buch und ein Kinofilm den Fall Relotius aufgearbeitet haben, kommt jetzt eine Dokumentation über den Medienskandal ins Fernsehen: „Erfundene Wahrheit – Die Relotius Affäre“ ist ab 24. März bei Sky und dem Streamingdienst Wow zu sehen.

Der sehenswerte Film von Regisseur Daniel Sager zeigt, wie der skrupellose Betrüger und „Spiegel“-Redakteur Relotius seine Reportagen fälschte und wie er mit schwer geschönten oder frei erfundenen Geschichten zu einem mit Preisen überhäuften Reporter werden konnte, ohne dass Vorgesetzten oder Kollegen über lange Zeit etwas auffiel. In der Doku kommt unter anderem Relotius‘ früherer Kollege Juan Moreno zu Wort, der den Skandal 2018 aufdeckte und das Buch „Tausend Zeilen Lüge“ über den Fall schrieb, aus dem Bully Herbig eine Satire machte, die 2022 in die Kinos kam.

Einziges Manko von Sagers Film, für das er aber nichts kann: Von den beim „Spiegel“ damals verantwortlichen Journalisten – vom einstigen Chefredakteur Klaus Brinkbäumer über den früheren Ressortleiter Matthias Geyer bis zur Ex-Chefin der Dokumentationsabteilung – kommt keiner zu Wort, weil praktisch alle Beteiligten Anfragen für Interviews entweder abgelehnt oder gar nicht beantwortet haben.

Desgleichen der heute 37 Jahre alte Claas Relotius, der Ende 2018 beim „Spiegel“ ausschied und mittlerweile bei einer bekannten Hamburger Werbeagentur arbeitet. „Als Hauptfigur des Skandals, die er ja nun mal ist, wollte ich ihm die Chance geben, sich zu erklären – er wollte sie aber nicht wahrnehmen“, bedauert Regisseur Sager.

Anhand mehrerer Beispiele vergleicht der aufwändige Dokumentarfilm, für den Sager und sein Team in mehreren Ländern unterwegs waren, spektakuläre Artikel von Relotius mit der Wirklichkeit – und kommt zu einem vernichtenden Befund: In den Reportagen, die sich gut lasen und den Lesern immer eine stimmige Story mit herzergreifenden Protagonisten boten, log der junge Journalist, dass sich die Balken bogen.

Zahlreiche Fehler und Unstimmigkeiten fielen damals der deutschen Leserin Gabi Uhl auf. Sie teilte Relotius ihre Bedenken schriftlich mit, konnte sich letztlich dann aber doch nicht vorstellen, dass in Deutschlands wichtigstem Nachrichtenmagazin derartige Lügengeschichten abgedruckt werden und ließ den Fall auf sich beruhen.

Es war oft der bis dahin gute Ruf des „Spiegel“, der Claas Relotius rettete, zudem verstand es der bei seinen Vorgesetzten ungemein beliebte und geschätzte Reporter geschickt, Vorwürfen entgegenzutreten. Sein „Spiegel“-Kollege Juan Moreno brachte das auf Lügen aufgebaute System Relotius schließlich zum Einsturz – und das gegen erhebliche Widerstände in der Redaktion, wie der Beitrag zeigt, der auch die später vom „Spiegel“ vorgenommene, sich zeitlich hinziehende Aufarbeitung des Skandals kritisiert.

In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass die Leserin Gabi Uhl ihre Bedenken dem „Spiegel“ mitgeteilt hat. Das stimmt nicht. Sie hatte lediglich Relotius selbst wegen Unstimmigkeiten kontaktiert. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen und haben ihn korrigiert.