Berlin : Eine Ohrfeige für die Rechtschreibreformer
Berlin Offensichtlich hat die breit geführte Kritik an den neuen Vorschlägen der Zwischenstaatlichen Kommision zur Rechtschreibreform Wirkung gezeigt.
Die Konferenz der Kultusminister (KMK) hat in Berlin den 4. Bericht der Kommission nicht wie erwartet verabschiedet, sondern die Entscheidung überraschend auf Juni vertagt.
Und nicht nur das: Die KMK hat der Kommission darüber hinaus eine beachtliche Kröte zu schlucken gegeben. Sie soll über die fachlichen Fragen der Rechtschreib-Neuregelung Ge-spräche mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung aufnehmen - ausgerechnet jener Institution, die seit Jahren zu den massivsten Gegnern der Rechtschreibreform gehört.
Wie Gift haben die Reformer die Gegenvorschläge der Darmstädter Akademie stets behandelt und zuletzt noch als „krasse Fehlleistungen” bezeichnet. Deshalb muss die von der KMK aufgegebene „Hausaufgabe” den Kommissionsmitgliedern jetzt wie eine Ohrfeige vorkommen.
Offenbar ist damit auch das Ansinnen der Kommission vom Tisch, künftig ganz allein, an allen politischen Instanzen vorbei, die Rechtschreibung zu regeln.
Auch über die künftige Zusammensetzung der Kommission wollen die Kultusminister im Juni entscheiden.
Geradezu ein Umdenken der KMK in Sachen Rechtschreibreform dokumentieren jüngste Äußerungen der baden-württembergischen Kultusministerin Annette Schavan (CDU): Nicht die Vereinfachung der Rechtschreibreform müsse das Leitprinzip der Neuregelung sein, sondern die „Präzision der deutschen Sprache und ihr Nuancenreichtum”.
Schavan: „Die Schule kann nicht abgetrennt werden vom übrigen Leben, die gesellschaftliche Akzeptanz der Reform muss eine gewichtige Rolle spielen.”
Angesichts dieser neuen Einschätzung erscheint es als denkbar, dass vor allem die umstrittene Fassung der Getrennt- und Zusammenschreibung, die immerhin selbst die Kommission in ihrem 4. Bericht zu einer „Reform der Reform” veranlasst hatte, ganz neu aufgerollt wird.
Die überraschende Entwicklung löst nicht allerorten Freude aus: Die Schulbuch- und Jugendbuchverlage schlagen Alarm. In einer „Gemeinsamen Erklärung” verlangen sie von der KMK „so schnell wie möglich” eine Entscheidung über die Kommissionsvorschläge zu treffen, „damit Planungs- und Investitionssicherheit erhalten bleiben”.
„Die Vorschläge des 4. Berichtes reichen völlig aus, um die Neuregelung zu modifizieren. Weiteren Änderungsbedarf sehen der VdS Bildungsmedien und die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen derzeit nicht”, heißt es in der Erklärung.
„Wenn die heute gültigen Regeln derart verändert würden, dass bei den Kinder- und Jugendbüchern erneut Neusatz nötig würde, träfe das die deutschsprachigen Kinder- und Jugendbuchverlage wirtschaftlich so hart, dass mancher kleiner oder mittelständischer Verlag in existenzbedrohende Ertragsprobleme geraten könnte.” Möglich, dass letztlich wirtschaftliche Erwägungen auch die Rechtschreibung bestimmen...