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Aachen: Eine glänzende Visitenkarte

Aachen : Eine glänzende Visitenkarte

Mit BAP präsentierte sich Wolfgang Niedecken zuletzt als gradliniger Rockmusiker. Wie wunderbar wandelbar seine Songs sind, bewies der Kölner Songwriter am Sonntagabend im Aachener Eurogress.

Von 19 Musikern der WDR Big Band begleitet, die vom Kölner Arrangeur und Jazz-As Mike Herting buchstäblich im Tanzschritt dirigiert wurden, bot Niedecken ein eher kaleidoskopisches, denn strickt rockorientiertes Programm.

Flügelhornsolo

Und gewann damit ungemein. Schon die Eröffnungsnummer „Für ne Moment”, erwies sich mit einem Flügelhornsolo als Charme-Offensive der ganz besonderen musikalischen Art. Eher nonchalant als bemüht stilecht, verliehen die exzellenten Solisten der WDR Big Band den Songs von Niedecken eine Intensität, die weit emotionaler wirkte als es die Originalversionen zu vermitteln mochten.

So tänzelte die „Queen vun dä Ihrestrooss” im eigentümlichen Takt einer Louisiana-Brass-Band noch plastisch-ironischer über Kölns angesagte Boutiquenmeile. Die Geschichte vom „Jupp”, der es mit der eigenen Biografie nicht so genau nimmt, startete mit einem Baritonsaxophonsolo von Jens Neufang und nahm im Verlauf immer deutlicher einen farbenfrohen Folk-Charakter an.

„Met Wolke Schwaade” wurde vom Percussionisten Ramesh Shotham an der indischen Ghatam-Trommel eingeleitet und geriet später zur mitreißenden Funknummer, deren Höhepunkt Klaus Osterlohs Trompetensolo markierte.

Tasten-Tausendsassa Frank Chastenier erntete stürmischen Applaus für sein Hammond-Solo in „Chippendale Desch”, während Gitarrist Helmut Krumminga, der als einziger BAP-Musiker neben Niedecken auf der Bühne des Eurogress saß, im kompletten, gut dreistündigen Programm, als Akustik-Gitarrist glänzte.

Auf dem aktuellen Album „Niedecken Köln” basierend, für das der BAP-Chef erstmals mit der Big Band des WDR zusammen gearbeitet hatte, stand inhaltlich Niedeckens sehr persönliches Portrait seiner Heimatstadt auf dem Programm.

Frei von jeglicher klischeehaften, bierseligen Köln-Attitüde, zeigte Niedecken sich als wachsamer Beobachter seiner Umgebung, in deren vermeintlichen Nebenschauplätzen sich das andere, weniger oberflächliche Köln abspielt.

Trost für Alemannia

Romantisiert wurde dabei nichts. Statt dessen borgte sich Niedecken den derben Humor Jürgen Zeltingers für eine grandiose Reggae-Version von „Müngersdorfer Stadion”, zu dessen Ansage der BAP-Chef die wenige Stunden vorher gebrochenen Herzen der Alemannia-Fans zu kitten versuchte. Immerhin sei es den Alemannen zu verdanken, dass man inzwischen in Köln wieder Fußballspiele von internationalem Format zu sehen bekäme.

Aber auch ohne Schmeicheleinheiten in Richtung seines Aachener Publikums, funktionierte „Niedecken Köln” so farbenfroh-überzeugend, dass man sich den Kölner im Nachhinein nur noch schwer im doch deutlich weniger expansiven Rockmusik-Korsett vorstellen kann. Spannend, ungewohnt und jazzig-verspielt wurde dem Song „Amerika” seine Schwere genommen.

Nach einem fulminanten Finale, bestehend aus „Arsch huh, Zäng ussenander”, „Verdamp lang her” und „Schluss, aus, okay”, waren sich viele Besucher des Aachener Konzerts einig, dass man gerade den besten Niedecken bestaunt hatte, den es je gegeben hatte. Gut 1000 Fans in Aachen verabschiedeten Niedecken und die WDR Big Band mit Standing Ovations.