Aachen : Eine Endzeitstimmung, die unter die Haut geht
Aachen Wenn ein Domkonzert ansteht, werden die Plätze im weiten Kirchenschiff rar. Diesmal lockten GMD Marcus R. Bosch und das Sinfonieorchester Aachen mit zwei der intimsten Kompositionen von Johannes Brahms, dem „Deutschen Requiem” und den 30 Jahre später im Todesjahr des Komponisten entstandenen „Vier Ernsten Gesängen”.
Trotz stilistischer Ähnlichkeiten spiegeln die späten Lieder eine noch dunklere und nahezu hoffnungslose Stimmungslage des schwerkranken und seit dem Tod von Clara Schumann innerlich zerbrochenen Meisters wider.
Eine Endzeitstimmung, die im klanglich kargen Original für Klavier und Singstimme gewiss noch schroffer zum Ausdruck kommt als in der modernen Orchesterfassung von Georg Michael Komma.
Gleichwohl orientiert sich Komma am Klangbild von Johannes Brahms´ eigenem „Requiem” und an den auf Transparenz bedachten Bearbeitungen von Schönberg, wobei die dunklen choralartigen Akkordblöcke durch das schwere, gleichwohl samten abgedunkelte Blech noch suggestiver unter die Haut gehen.
Aachens Ensemblemitglied Martin Berner, nicht nur als exzellenter „Elias” noch angenehm in Erinnerung, erwies sich auch als hervorragender Liedgestalter. Mit seiner runden und präsenten Stimme, tragfähig in den Tiefen, sicher in den Höhen, brachte er auch den Stimmungsgehalt der Gesänge eindringlich und ohne Wehleidigkeit zum Ausdruck.
Eine wiederum glänzende Talentprobe des jungen Baritons, der auch zum Erfolg des folgenden „Requiems” beitrug. Bosch näherte sich dem Werk emotional distanzierter als gewohnt. Das Klangbild blieb dadurch schlank, allerdings fehlte ihm auch eine Spur jener menschlichen Wärme, die Brahms´ tröstliche Trauermusik auf den Tod seiner Mutter so zu Herzen gehen lässt.
Röntgenhaft klar
Musikalisch war die Interpretation, wie immer bei Bosch, vorzüglich ausgearbeitet. Die wenigen dynamischen Höhepunkte wurden sorgfältig vorbereitet und kraftvoll ausgebreitet, die lyrischen Passagen bestachen durch röntgenhaft klare Durchhörbarkeit. Das kam auch dem so zarten Gesang von den „lieblichen Wohnungen” zugute, auch wenn die gestalterische Kühle ein wenig befremden mochte.
Das Aachener Sinfonieorchester folgt Bosch mittlerweile mit unbestechlicher Sicherheit, und auch auf den von ihm in Heidenheim gegründeten „Chor der vocapella” kann sich der Dirigent voll verlassen. Dass die Männerstimmen nicht allen Anforderungen sattelfest begegneten, zeigte ein Problem vieler Chöre. Glockenhell, wenn auch deutlich tremolierend gestaltete Gundula Peyerl den kleinen Sopranpart.
Das Konzert wurde für eine CD mitgeschnitten, die demnächst erscheinen soll.