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Aachen: Ein vergnügliches Bühnenerlebnis „im Doppelpack”

Aachen : Ein vergnügliches Bühnenerlebnis „im Doppelpack”

Eine Handlung in zwei Stücken mit identischen Figuren für zwei Bühnenschauplätze gleichzeitig zu entwerfen, das bringt nur der „englische Molière” und Dramenstratege Alan Ayckbourn zuwege.

„Haus & Garten” heißt seine „Doppelkomödie”; die deutschsprachige Erstaufführung fand im April 2002 im Bochumer Schauspielhaus statt.

Das Aachener Das Da Theater ging das Wagnis der Aufführung in seinen beiden Räumen ein, und erstaunlicherweise ist dabei ein vergnügliches Bühnenerlebnis „im Doppelpack” herausgekommen - trotz einiger Anlaufschwierigkeiten in einem Teil der Zweifachpremiere, dem im „Haus”.

Neunzig Prozent der Zuschauer - sämtliche Vorstellungen sind ausverkauft - haben Karten für beide Aufführungsteile erworben, die sie sich an verschiedenen Abenden ansehen können.

Gescheiterte Beziehung

Alan Ayckbourns großes Thema sind gescheiterte Beziehungen in der kleinen Welt des bürgerlichen englischen Alltags. In „Haus & Garten” entfaltet sich im Verlauf der zwei Aufführungen ein ganzes Panorama davon.

Mirko Hensch entwarf das liebevoll ausgestattete doppelte Bühnenbild aus modernem Wohnzimmer, grüner Gartenanlage mit Brünnlein und Partyzelt.

Eigentlich steht ein harmlos-heiteres Ereignis bevor: Druckerei-Eigner Teddy Platt (Anton Schieffer) hat zur Gartenparty geladen. Von den Gästen Gavin Ryng-Mayne (Marcus Wainwright), einem Vertrauten des Premierministers, und der französischen Schauspielerin Lucille Cadeau (Kristina Gorjanow) erwartet er sich einerseits protektionistische Unterstützung, andererseits ein wenig glamouröses „Plaisir”.

Doch sogleich bahnt sich Unheil an: Teddys Ehefrau Trish (Anja Mathar) behandelt ihn wie Luft - derart verblüffend konsequent und komisch, dass diese Art von ehelicher Ignoranz zur Lachnummer des Abends wird - im Haus.

Im Garten erfahren die Zuschauer, dass Teddy seine bessere Hälfte gegen zwei knackige Viertel ausgetauscht hat. Mit dem einen macht er gerade Schluss: Joanna (Steffi Richter), Ehefrau seines besten Freundes Giles Mace (Peter Pappert).

Die „Haus-Zuschauer” wiederum erfahren den Hintergrund: Teddy wird die Affäre lästig, mit Trish plant er den Neuanfang - vergeblich... Nach diesem Muster entwickelt sich wechselweise in Haus und Garten ein spannend-komisches Pingpong-Spiel der verschiedensten scheiternden Beziehungen aller (Alters- und Sozial-) Klassen - da wären nämlich noch das ungleiche temperamentvoll-sanfte Jungpaar Sally Platt (Daniela Gölden) und Jake Mace (Jan Hildebrandt), das Macho- und Blondinen-Paar Barry (Mustafa Eren) und Lindy (Rebecca Albrecht) sowie der mürrisch-schweigsame Gärtner Warn (Toni Conrads) und seine bärbeißige Izzie (Inge Klusemann).

Das zweite „Viertel” in Teddys Liebesleben: die verführerisch-lustwandelnde Lucille - trotz verschiedener Sprachen und dank des Whiskeys sticht Amors Pfeil ohne Umschweife im Partyzelt sogleich an der richtigen Stelle. Allerdings funkt die Haushälterin (Inge Klusemann) mit dem Messer dazwischen. Was auf beiden Bühnen ein erhebliches Chaos auslöst...

Zwei Stücke ganz unterschiedlichen Charakters, zwei Regisseure: Anders als Maren Dupont im Garten hat es Tom Hirtz im Haus ungleich schwerer: Während er viele Gespräche und lange Monologe mit psychologischem Hintergrund in Szene setzen muss, kann Maren Dupont mit einem ganzen Arsenal an Aktionen und dem Großteil des Ensembles aus dem Vollen schöpfen.

Das gipfelt in Verfolgungsjagden im Gebüsch, Schäferstündchen im Zelt, Verwechslungsszenen, rührend-romantischen Momenten und kompletten Tanznummern.

Zynische Ehefrau

Die zweieinhalbstündige Premiere im Haus enttäuschte ein wenig aufgrund großer Nervosität, hier wirkte vieles verkrampft und überlang. Am zweiten Abend zeigte sich Anja Mathar als Trish dann wieder frei gespielt - eine schwierige Rolle hat sie allerdings auch zu bewältigen als resignierende, zynische Ehefrau und Mutter, die sich für alles verantwortlich fühlt, und dann auch noch Eiseskälte verbreiten muss.

Anton Schieffer als ihr Gatte drehte dafür auf: Er importiert nach Old England sichtlich genüsslich und mit gekonnter Selbstironie so etwas wie die rheinische Art - Wein und Weib gerne zugeneigt, unbeschwert und heiter gibt er den lebenslustigen Schwerenöter.

Herausragend Daniela Gölden, die die Haus-Premiere gerettet hat mit ihrer temperamentvollen und anrührenden Darstellung der siebzehnjährigen Sally mit all ihren Träumen und Wünschen, ihrem Aufbegehren und Suchen, ihrer aufgewühlten Gefühlswelt auf dem Weg zum Erwachsenwerden.

Die Darsteller sprühen durch die Bank weg vor Theaterbegeisterung: Steffi Richter ist die erotisch aufgeblühte, dann durchgedrehte Lehrerin Joanna, Jan Hildebrandt der sanftmütige Verehrer Jake, Marcus Wainwright der kühl-protzige Businessman aus London, Mustafa Eren der Frauenausbeuter Barry, Rebecca Albrecht sein herrlich karikiertes „erwachendes” Blondchen Lindy, Kristina Gorjanow die süß-franzöösiesche Lucille, Katja Meiners ihre eisenharte Fahrerin, Toni Conrads der urige Gärtner, Inge Klusemann seine derbe Frau, Elke Müller deren aufreizende Tochter.

Peter Pappert als Dr. Giles Mace gibt mit unterschwelliger Selbstironie sehr plausibel den Prototyp des sich immer schuldig fühlenden Weicheis und Frauenverstehers.

Für seine federnden Hüpfer beim altenglischen Stampf- und Stocktanz erhielt er zu Recht kräftigen Szenenapplaus, ebenso wie der tanzende kleine Nachwuchs der Das-Da-Familie.

Das Publikum klatschte lang anhaltenden Beifall für eine gelungene, schwierig zu realisierende Bühnenproduktion.