Aachen/Kabul : Ein Aachener hält den Alltag in Kabul fest
Aachen/Kabul Die einzige Enttäuschung kam danach: „Mein Stamm-Grieche war in Urlaub, da bin ich bei Mc Donalds gelandet”, sagt Andreas Steindl lachend über seine Heißhungerattacke nach seiner Rückkehr aus Kabul. Der 26-Jährige hat einen sprichwörtlich heißen Sommer hinter sich.
Sieben Wochen hat er als NATO-Fotograf die Arbeit der ISAF-Soldaten im kriegszerstörten Afghanistan dokumentiert.
Doch über das Essen des indischen Caterers im ISAF-Hauptquartier in Kabul kann er sich nun wirklich nicht beklagen: „Das war super. Man muss die Leute ja bei Laune halten, und wenn das Essen nicht stimmt, ist das der Anfang vom Ende.”
6200 Kilometer von Deutschland entfernt taten sich für den jungen Mann aus Burtscheid, der sich nach der Bundeswehrzeit als Soldat verpflichtete und schließlich im „Public Information Office” der NATO im niederländischen Brunssum landete, „komplett andere Lebensverhältnisse” auf. „Keine Kanalisation, keine Wasserversorgung, kaum asphaltierte Straßen, kein Regen und im Sommer 40 Grad Hitze - dementsprechend sieht die Luft in Kabul aus.” Nach drei Wochen hat da auch sein Magen einmal rebelliert.
Zelt- und Containerstadt
Wohlgemerkt sind die ISAF-Soldaten in einer Zelt- und Containerstadt mit sämtlichen infrastrukturellen Einrichtungen mitten in Kabul untergebracht. Im Hauptquartier der ISAF gibt es beispielsweise einen Tante-Emma-Laden, ein kleines Fitness-Studio, ein Zelt mit Kino, Billard und Kicker und sogar einen kleinen Garten. Aber bei wöchentlich sechs Arbeitstagen von 8 bis 20 Uhr und am siebten Tag von 13 bis 20 Uhr blieb gerade genug Zeit, beruhigende E-Mails an Familie und Freunde zu Hause zu schicken. Und um den Inhalt der „Care-Pakete” aus Aachen mit deutschen Zeitungen, der Pflichtlektüre „Kicker”, allen News über die geliebte Alemannia und Gummibärchen zu „verschlingen”.
„Für mich war das ein Angriff nach vorne, ich habe mich in die Arbeit gestürzt, war fast nie im Büro und immer mit der Patrouille unterwegs auf Fototour. Ich habe unendlich viel mitbekommen, die pure Armut gesehen - und dadurch wird man bescheidener”, sagt er.
Ja, wir reden über Kabul, Afghanistan. Da man als Soldat in diesem Krisengebiet ein permanentes potenzielles Ziel darstellt, sind Fahrten grundsätzlich nur mit mehreren Soldaten und ohne Anhalten möglich. Mit teilgeladener Waffe, Helm und verstärkter Splitterschutzweste. „Wenn ich zum Fotografieren ausstieg, sicherten mich gleich mehrere Kameraden in alle Himmelsrichtungen ab.” Kaum lassen sich die Nothelfer blicken, sind sie auch schon umringt von Kindern. „Give me your pen!” (Gib mir deinen Kugelschreiber) und „How are you?” (Wie geht es Dir?) sind ihre ersten englischen Sätze.
Drei-Millionen-Stadt
Einmal habe man während einer Fußpatrouille beim Gemüsehändler Tee getrunken, so Andreas Steindl. Mit einem Dolmetscher sei dies kein Problem und offensichtlich auch keine gefährliche Situation gewesen. „Aber man steht ständig unter Spannung, einige Soldaten sichern immer die Umgebung. Man sollte immer zusammenbleiben und selbst an scheinbar ungefährlichen Orten nicht ewig verweilen.”
In Kabul, einer riesigen Stadt mit drei Millionen Einwohnern, fällt eine Orientierung in dem Gassengewirr mit den vielen Lehmhütten schwer. Hoffentlich auch für die, die keine Freunde von ISAF sind. „Damit habe ich mich immer wieder beruhigt. Die Wahrscheinlichkeit ist doch sehr gering, dass es ausgerechnet dort einschlägt, wo ich gerade bin.”
Über 3500 Bilder
Die Bilder des Fotografen Andreas Steindl erzählen Geschichten, ja, sogar Zeitgeschichte. Das erkannte auch seine kanadische Vorgesetzte in Kabul und sorgte dafür, dass ihn möglichst viele Nationen mit zu ihren Einsätzen nahmen. Über 3500 Fotos sind dabei entstanden: Von einer Schuleröffnung, von Experten bei der Minensuche, vom Flughafen in Kabul, vom Verteilen der Zeitung „ISAF-News”, von Medizinchecks bei der Zivilbevölkerung und der Arbeit mit Bombenspürhunden auf dem Freitagsmarkt.
Seine Fotos sind auf verschiedenen NATO-Websites zu sehen, häufig auch als „Foto der Woche”. Dafür erhielt Andreas Steindl die Medaille „Commanders Coin” für besondere Leistungen.
Immer war er mit der Kamera dabei und drückte auch auf den Auslöser, als ein Afghane die Hand eines Soldaten umfasste. Er dokumentierte nicht nur die Aufbauarbeit von ISAF, sondern auch das wachsende Vertrauen zwischen den Soldaten aus aller Welt und der afghanischen Bevölkerung.
Andreas Steindl: „In Afghanistan gibt es massenhaft Leute, die seit Monaten ohne einen Cent Lohn an Wasserhähnen werkeln, Häuser und Straßen bauen. Die wollen ihr Land wieder aufbauen und nehmen dabei gerne unsere Hilfe an.” Die ISAF gelingt - als vertrauensbildende Maßnahme zwischen Afghanistan und der Welt. Zumindest bei vielen in Kabul.