1. Kultur

Aachen: Die große Kunst ist es, aus der Masse hervorzustechen

Aachen : Die große Kunst ist es, aus der Masse hervorzustechen

Judith Strich und Timo Schmitz wollten aus schnöden Daten etwas Schönes machen. Vor sechs Jahren ungefähr hatten sie eine Idee: Wetterdaten optisch aufbereiten. Das Duo, damals noch Studenten der FH Aachen, entwickelte eine Videoinstallation aus geometrischen Figuren, die originale Wetterdaten des Solar-Campus Jülich auf einer Leinwand visualisiert darstellt.

Dabei hat jeder Parameter eine bestimmte Darstellungsweise — Regen, Sonne, Nebel, Wind. Via Tablet können diese Parameter mit Reglern verändert werden. Bei höherer Sonneneinstrahlung zum Beispiel werden die Farben und Formen auf der Leinwand kräftiger und drückender, bei Windstille bewegen sie sich nicht mehr. Unterlegt ist die Visualisierung mit Klängen, die ebenso jedem Parameter zugeordnet sind.

Das Projekt der beiden Designer ist eins von rund 50 Stücken und Objekten im Ludwig Forum. „Luform — Design Department“ heißt die experimentelle Ausstellungsserie, die einen Einblick in die Gestalterszene der Euregio und darüber hinaus geben soll. Denn: „Alle großen Museen haben eine Design-Abteilung“, sagt Patricia Yasmine Graf von der Designmetropole Aachen.

Seit März läuft die Ausstellung schon, die ähnlich wie eine Zeitleiste in den sozialen Netzwerken aufgebaut ist: Alle Installationen stehen auf Rollen. Zu Beginn waren es 17 Ausstellungsstücke, einmal im Quartal gab es ein „Update“, bei dem neue Projekte dazukamen und die vorherigen, wie in der virtuellen Zeitleiste, nach hinten in den Raum gerutscht sind. Inzwischen, nach Update Nummer vier, ist der Ausstellungsraum des Museums voll. „Nächstes Mal fallen dann einige der ersten Stücke raus“, sagt Graf.

Zunächst stand die euregionale Designerszene im Vordergrund, aktuell stehen auch Exponate von Künstlern aus Halle und aus Karlsruhe im Ludwig Forum aus. Das Altersspektrum ist bunt gemischt: Von Studenten, die ihre Abschlussarbeiten ausstellen bis hin zu älteren Generationen sind alle vertreten. Nur eins haben sie gemeinsam: „Sie sind alle Newcomer in der Szene“, sagt Graf.

Nicht weniger bunt gewürfelt ist das, was ausgestellt ist. Möbel, Mode, Schmuck, Keramik, Porzellan und eben die Videoinstallation — es gibt kein festes Thema der Ausstellung. Einen roten Faden allerdings schon: Einzigartigkeit. „Viele der Künstler sind auf der Suche nach einem Alleinstellungsmerkmal“, sagt Graf.

Aus zweckmäßig wird schön

„Mass Uniqueness“ heißt da passenderweise das Werk der niederländischen Künstlerin Djillie Roes. Sie hat typische Massenprodukte, Einweg-Kugelschreiber, aufgeblasen und in Reihen installiert, so dass aus jedem der Stifte am Ende doch ein Unikat geworden ist.

An einer anderen Wand lehnt ein Besen. Auf den zweiten Blick wird erkennbar, dass im Besenkopf eine Mehrfachsteckdose eingearbeitet ist — statt das doch eher unschöne Zweckprodukt im Kabelsalat zu verstecken, macht es der Designer Philipp Scholz selbst zum stylischen Objekt.

Daneben steht auf gerade einmal drei Metallkufen eine fünf Meter lange Bank von Max Guderian. Das Besondere: Die Vollholzbalken sind nicht verschraubt, sondern so miteinander verwoben, dass sie eine stabile Sitzgelegenheit bieten. Ebenfalls einzigartig: das Textil-Exponat „Freischwimmer“ von Johanna Hehemeyer-Cürten. Die Bademode der Bachelorabsolventin ist irgendwas zwischen Neoprenanzug, Badeanzug und Burkini, geschlossen und zugleich offen. „Eine Kombination aus futuristisch und retro“, sagt Graf.

Ausgewählt hat die Exponate eine sechsköpfige Jury aus dem Fachbereich Design der FH Aachen, der Designmetropole Aachen und dem Ludwig Forum. Im Januar ist das fünfte Update geplant, „bis auf weiteres“ soll die Ausstellung erst einmal im Ludwig Forum bleiben, sagt Graf. Das nächste Update wird die Videoinstallation von Judith Strich und Timo Schmitz noch überstehen. Die neuen Anwärter stehen aber schon in den Startlöchern.