1. Kultur

Berlin: Deutscher Widerstand amerikanisch: Tom Cruise als Stauffenberg

Berlin : Deutscher Widerstand amerikanisch: Tom Cruise als Stauffenberg

Tom Cruise bekam eine Gänsehaut, als er - in der Rolle des erst 36-jährigen Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg - im Berliner Bendlerblock „erschossen” wurde. „Es war eine atemberaubende Erfahrung, genau an der Stelle zu stehen, wo diese Menschen ihr Leben riskiert haben.”

Und beim Anziehen der deutschen Wehrmachtsuniform hatte er ein „mulmiges Gefühl”, wie er später über die Dreharbeiten zum Film „Operation Walküre” von Bryan Singer („X-Men”, „Superman Returns”) sagen wird. Der Film mit Darstellern wie Kenneth Branagh, Tom Wilkinson, Thomas Kretschmann und Christian Berkel sowie - in einer Nebenrolle - Matthias Schweighöfer, der in den USA bereits im Dezember gestartet ist, kommt am 22. Januar in die deutschen Kinos.

Der Actionheld Cruise („Top Gun”), dem manche eine gewisse äußerliche Ähnlichkeit mit Stauffenberg bescheinigen, fand das Drehbuch „unglaublich fesselnd, sowohl aus historischer Sicht, als auch als großartiger Thriller”.

Der deutsche Widerstand also aus amerikanischer Sicht, mit Spannung, Action und Emotion und der für die meisten Amerikaner bisher weitgehend unbekannten Tatsache, dass nicht alle Deutschen Nazis waren und einige sogar aktiven Widerstand geleistet haben - „unbekannte Helden”, „unknown heroes” für die Amerikaner. Und ein Zweiter-Weltkriegs-Film ohne US-Soldaten ist zudem für US-Zuschauer gewöhnungsbedürftig.

Die Erwartungen im Vorfeld an den Film und der Trubel um die Dreharbeiten mit Hindernissen an den authentischen Orten in Berlin und in Brandenburg waren entsprechend hoch. Die Aufregungen haben sich kaum gelohnt. Es ist ein ordentlicher Film geworden ohne besondere Ausstrahlung einschließlich der Besetzung. Zeitweise kommt Spannung auf, in Amerika haben manche Zuschauer am Ende sogar eine halbe Stunde beinahe den Atem angehalten.

Die ersten Kritiken nach der US-Premiere waren aber eher ernüchternd, „ein kaltes Werk”, manche sahen in Cruise gar eine Fehlbesetzung. In Deutschland wurde vor allem seine Zugehörigkeit zur umstrittenen Scientology-Organisation diskutiert. Der Publikumszuspruch in den USA und die Kasseneinspielergebnisse waren aber in den ersten Wochen durchaus akzeptabel.

Für deutsche Zuschauer ist „Operation Walküre” einer von vielen Filmen über das Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944. Ein ARD-Zweiteiler von 1971 (mit Joachim Fest) trug sogar denselben Titel und setzte Maßstäbe, und das ZDF schickte dieser Tage einen neuen Zweiteiler von Guido Knopp (und anderen) ins Rennen über die „wahre Geschichte”, wie es im Untertitel recht anmaßend heißt.

Knopp bescheinigt dem Cruise-Film, er sei „spannend und handwerklich gut gemacht”. Darüber gehen die Meinungen auseinander. Die Dramaturgie findet ihren natürlichen Höhepunkt in den Szenen in Hitlers Hauptquartier „Wolfsschanze”. Der körperbehinderte Attentäter, der im letzten Augenblick aufgrund seiner Handverletzungen das zweite entscheidende Sprengstoffpaket nicht mehr zündbereit machen kann, wird hier von Cruise eindrucksvoll dargestellt - eine seiner wenigen Glanzleistungen in dem Film.

Die wortreichen Auseinandersetzungen in der Widerstandsgruppe geraten blutleer, nicht zuletzt wegen einer mangelnden Profilierung der einzelnen Charaktere. Leider trifft das insgesamt bis auf wenige Szenen auch auf den Hauptdarsteller zu. Cruise hat sich nach eigenen Worten mit Lektüren über Stauffenberg und den deutschen Widerstand fast zugeschüttet, was ihn schließlich in Ehrfurcht vor dem „großen Vorbild” buchstäblich im Film erstarren ließ. Er wirkt maskenhaft, auffallend blass und konturlos, vermutlich aus der falsch verstandenen Absicht, bei einer solchen „heiligen Figur” nicht zu überzeichnen.

Manche rechnen ihm das sogar hoch an und meinen, das Kammerspiel gewinne durch Verzicht. Aber Tom Cruise ohne Charisma - der Preis ist Spannungsabfall sowie kaum differenzierte Personenzeichnung und -entwicklung. Von der symbolträchtigen Gedichtzeile Stefan Georges (1868-1933), zu dessen Anhängern Stauffenberg auch gehörte und für den er auch die Totenwache hielt, „Ich bin der eine und bin beide ... Ich bin das Opfer bin der Stoß”, ganz zu schweigen.

Der Film beginnt mit einem Fliegerangriff auf die deutschen Truppen in Nordafrika, bei dem Stauffenberg seine schweren Arm- und Augenverletzungen erlitt (das Tragen der Augenklappe bereitete Cruise zunächst Gleichgewichtsprobleme). Damit soll symbolisch auch die andere schwere, seelische Verletzung Stauffenbergs offenbart werden - das Leiden an den Verbrechen Hitlers, dem er mit seinen Offizierskameraden anfangs enthusiastisch gefolgt ist, jetzt verbunden mit dem Entschluss, „das Böse” zu beseitigen. Zeitweise flackert bei Cruise etwas von der späten Zerrissenheit und Verzweiflung Stauffenbergs auf, ein Patriot, der seinem Land als vermeintlicher Verräter einen letzten Dienst erweisen muss - „Entweder Deutschland oder Hitler”.

Es ist, da kann man der Filmbewertungsstelle Wiesbaden nur zustimmen, ein für Hollywood-Verhältnisse „überraschend unpathetischer” Film über Nazi-Deutschland geworden. Natürlich fehlt auch nicht das tragische Ende, die standrechtliche Erschießung der Hauptverschwörer noch in Nacht des Attentats im Hof des Berliner Bendlerblocks, der heutigen Gedenkstätte Deutscher Widerstand.

Die Szenen wurden, nach anfänglichem Hick-Hack, am Originalschauplatz gedreht - sogar zweimal, weil das erste Drehmaterial technisch nicht brauchbar war. Die Notwendigkeit dafür erhellt sich nicht, wenn man von der „Gänsehaut” des Hauptdarstellers absieht, der im nächtlichen Dunkel unter den Gewehrsalven des Hinrichtungskommandos mit seinem letzten Anruf an das „heilige Deutschland” - nach anderen Überlieferungen mit der George-Anlehnung an das „geheime Deutschland” - stirbt.