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Der Liebling auf vier Beinen hilft heilen

Der Liebling auf vier Beinen hilft heilen

Eschweiler (an-o) - Zärtlich umfasst Elena den Hals ihres Moritz. Tätschelt das Pferd liebevoll und hält es plötzlich fest umschlungen. Noch vor zwei Jahren schlich die inzwischen Achtjährige nur auf Zehenspitzen umher, lebte entrückt in ihrer Phantasiewelt, in der die Realität keinen Platz fand.

Berührungen waren dem kleinen Mädchen damals völlig suspekt. Kraftlos und ohne jede Körperspannung musste es bei seinen ersten therapeutischen Reitstunden auf dem Lohner Hof in Eschweiler von zwei Helfern auf dem Pferderücken festgehalten werden. Inzwischen hat Moritz Elenas Panzer geknackt.

Die junge Dame freut sich auf ihre wöchentliche Therapiestunde. Respekt hat sie noch immer vor dem weiß-braunen Tinker, doch schreckt sie immer seltener vor dem Galopp zurück. Schließlich kniet sie sogar auf dem sattellosen Rücken des Tieres, das Sozialpädagogin Claudia Schönborn an der Longe führt.

Ihr Selbstwertgefühl ist gewachsen

Elena streckt ihr rechtes Bein hoch in die Luft, ehe sie zwei Runden lang mit geschlossenen Augen die sanften Bewegungen des Tieres genießt. Eine immense Leistung für das Kind, das vor zwei Jahren noch nicht in der Realität lebte.

Elena hat Vertrauen entwickelt, zu Moritz und zu den Menschen, ihr Selbstwertgefühl ist gewachsen. "Auch im Sozialverhalten macht sie tolle Fortschritte", beobachtet Claudia Schönborn. Elena hat gelernt, realitätsbezogen zu agieren, kann Wünsche formulieren und munter mit Tieren und Menschen plaudern.

65 "Patienten"

Reiten ist gesund für den Körper und Balsam für die Seele, heißt es. Beides macht sich das Therapeutische Reiten zu Nutze, zum einen in der Hippotherapie, der Krankengymnastik auf dem Pferderücken, zum anderen beim heilpädagogischen Reiten, das Verhaltensstörungen behandelt.

Letzteres bietet das Reit- und Therapiezentrum Lohner Hof seit 1999 an. Vier Reitpädagogen betreuen dort 65 geistigbehinderte, entwicklungsverzögerte, psychisch beeinträchtigte, verhaltensauffällige oder blinde Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Der vom Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten anerkannte Betrieb erinnert mit seinen vielen Katzen und Kaninchen an einen Bauernhof. Bewusst, denn alle Tiere, mit denen geknuddelt werden kann, helfen, Berührungsängste abzubauen.

Hilfe geben und annehmen

Wichtigster Therapeut jedoch ist das Pferd. Auf seinem Rücken wird beinahe unbemerkt die Motorik geschult, lernt der Patient seine Körpermitte zu finden, fühlt er sich getragen. Die rhythmischen und gleichmäßigen Bewegungen des warmen Tieres helfen ihm, den eigenen Körper zu spüren und zu erfahren. Mit dem Partner Pferd lernt er, Hilfe zu geben und anzunehmen.

Die Warteliste ist lang. Auch die Kinder- und Jugendpsychiatrie des Klinikums setzt auf die Therapie mit Pferd, die überwiegend in Kleingruppen angeboten wird. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten bisher jedoch nicht.