Aachen : Der Außenseiter wird zur Strecke gebracht
Aachen Der Titel ist bereits Signal: Mit „Othello, Venedigs Neger” hat sich Regisseur Michael Helle, Schauspieldirektor am Theater Aachen, zusammen mit Dramaturgin Heike Wintz für eine Übersetzung des Werkes von William Shakespeare entschieden, die noch keine zehn Jahre alt ist.
„Sie stammt von Werner Buhss, einem heutigen Autor, der eine sehr gegenwärtige Sprache benutzt, ohne die Poesie des Textes zu zerstören”, so Helle.
Der von Christian Schulz hellhäutig gespielte „Neger” wird zum Ziel von Rassismus und Missgunst, zum Außenseiter, auf den es die etablierte Gesellschaft abgesehen hat und ihn zur Strecke bringen will.
Das „Besondere” jenes erfolgreichen Generals, dem nicht nur beruflich eine Karriere gelang, sondern der mit der Patrizier-Tochter Desdemona auch noch das Herz einer heftig begehrten Frau eroberte, weckt die Neider.
„Dieser Mensch hat sich assimiliert, hat Religion und Kultur gewechselt, man braucht ihn, aber das provoziert zusätzlich Missgunst”, sieht Helle in Othello das zeitlose Ziel von Intoleranz und Rassismus.
„Während in der Fußballmannschaft von Cottbus ein farbiger Spieler von Fans gefeiert wird, hetzen andere einen Asylbewerber durch die Straßen”, nennt er ein aktuelles Beispiel. Und Desdemona, eine junge Frau, die ohne Erlaubnis des Vaters heiratet - und dann auch noch den Fremden?
„Shakespeare hat nur starke Frauen geschaffen, sozusagen als Denkmal für Königin Elizabeth I., die er verehrte. Das war politisches Kalkül”, erläutert Helle. „Wie Othello ist sie eine Fremde in einer Männerwelt, beide sind unglaublich naiv. Von Eifersucht wissen sie zu Anfang nichts. Es ist wirklich eine Liebe.”
Faszinierend und beunruhigend zugleich: Die Fähigkeiten eines Jago, der es versteht, auf psychologischem Wege „Feuer zu legen”. Othello wird Opfer seiner Leidenschaft. „Ein Plädoyer für das Theater, das zeigt, wie Verführung erfolgen kann. Auf diesem Wege könnte ein ganzes Volk in den Krieg gehetzt werden.”
Die Umsetzung des Werkes, das 1604 in London uraufgeführt wurde, ist für Michael Helle eine äußerst gegenwärtige Aufgabe. „Theater ist immer Gegenwart. Wir bringen stets heutiges Denken und Fühlen auf die Bühne, egal, welche Kleidung die Figuren tragen.”
Um dem Zuschauer unausweichlich das Gefühl zu geben, an den von Shakespeare skizzierten Abläufen teilzuhaben, ist die Bühne (Achim Römer) ganz nah, hat man nicht nur den Orchestergraben überbaut, sondern auch den zweiten Rang und jene Seitenplätze im ersten Rang gesperrt, von denen aus die Sicht schlecht ist.
Shakespeares „Othello” im Theater Aachen, Großes Haus, Premiere am Samstag, 16. Oktober, 19.30 Uhr.
Weitere Aufführungen am 22., 23. Oktober, 7., 12., 27., 30. November, 3., 9., 11., 30. Dezember, 7., 19. Januar.
Karten in allen Zweigstellen unserer Zeitung, 0241/5101192.