Aachen/Düsseldorf : Das Uniklinikum muss sich testen lassen
Aachen/Düsseldorf Fast 600 Millionen Mark gibt Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr für die medizinische Forschung in seinen sieben Universitätskliniken aus. Mehr wird der Landes-Haushalt der nächsten Jahre nicht hergeben, eher weniger.
Daher prüft das Forschungsministerium schon länger, wie man die Mittel auf die einzelnen Häuser optimal verteilen oder wo das Land gar sparen kann. Jetzt will es es sich dazu der Hilfe einer „Expertenkommission Hochschulmedizin” bedienen. Unter Leitung des Vizepräsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Johannes Dichgans, sollen bis Mitte kommenden Jahres die „Stärken und Schwächen” aller medizinischen Fakultäten begutachtet werden. Ziel der Landesregierung: Jeder Standort soll sich auf Schwerpunkte konzentrieren.
Mit Sachverstand
Warum eine Kommission überhaupt, und warum sie jetzt eingesetzt wird, lädt zu Interpretationen ein. Das Ministerium begründet die Notwendigkeit damit, dass man selber nicht den erforderlichen Sachverstand habe, um die Qualität von Lehre und Forschung zu beurteilen. Man müsse genau wissen, wo man etwas ausbauen könne oder wo „doppelte Strukturen” vorhanden wären. Die Profilsuche bei den medizinischen Fakultäten entspreche dem, was man im „Hochschulkonzept 2010” für alle anderen Fächer aller Hochschulen des Landes mit Erfolg betreibe.
Dafür reicht offenbar der hauseigene Sachverstand, das läuft nämlich ohne Kommission. Auch mit den Medizinern hat die Ministerin schon ausführlich gesprochen. Seit 2003 hat sie alle Unikliniken - Aachen, Bochum, Bonn, Düsseldorf, Essen, Köln und Münster -jeweils ganztägig besucht.
Klaus Lackner, Ärztlicher Direktor des Uniklinikums Köln (96 Millionen Euro Forschungsmittel vom Land), begrüßt den Expertenrat: „Es ist eher positiv, wenn sich Politiker nicht so klug geben, alles selber beurteilen zu können.” Untereinander würden die Kliniken den Wettbewerb um Finanzzuweisungen nicht regeln können, weil zwangsläufig jede an ihr eigenes Wohl zu denken habe: „Das muss von außen kommen.” Wesentlich unterscheiden könnten sich die Standorte allerdings auch nicht; ein Universitätsklinikum müsse nun einmal alles anbieten.
Das sieht Henning Saß, Chef des Uniklinikums Aachen (83 Millionen Euro vom Land) für die Krankenversorgung natürlich nicht anders, hebt aber die drei Forschungs-Schwerpunkte seines Hauses hervor: Molekulare Krankheitsentstehung, Medizintechnik und Neurowissenschaften. Diese Konzentration ist auch ein Ergebnis der Begutachtung durch den Wissenschaftsrat vor fünf Jahren, der der Aachener Medizinforschung ein teilweise mieses Zeugnis ausstellte.
„Seither hat sich mächtig was getan”, bekräftigt Saß. Inhaltliche Überraschungen erwartet er von der neuerlichen Prüfung nicht. Die Einsetzung der Kommission deutet der Gremien erfahrene Psychiater eher als Politstrategie der Regierung: „Noch mal eine gewisse Zeit vergehen lassen...”. Endgültig vom Tisch sei die Planung, das Aachener Uniklinikum völlig neu zu bauen. Das jetzige Haus habe genug Substanz und soll nun „um- und aufgerüstet” werden. Man sei auf gutem Wege, dieses Vorhaben im Landeshaushalt unterzubringen.
Kein Klinikum zuviel?
Michael J. Lentze, Ärztlicher Direktor des Uniklinikums Bonn (81 Millionen), hält die Kommission auch eher für ein Instrument der Verteilung politischer Verantwortung, was er aber ausdrücklich als persönliche Meinung deklariert. Dem Ergebnis der Prüfung könne Bonn jedenfalls „gelassen entgegen sehen”. In der Düsseldorfer Klinik (102 Millionen) wollte man sich nicht zum Thema äußern.
Von der Schließung einer Klinik spricht derzeit keiner mehr. Vor zwei Jahren noch war es offenes Geheimnis, dass NRW mindestens ein Uniklinikum zu viel habe. Eine Fusion oder Privatisierung komme jetzt aber auch nicht infrage, legt sich die Ministerin fest, weil es sich nicht rechne. Man werde aber „im Auge behalten” wie sich das Experiment in Hessen entwickle, wo die Uniklinika von Marburg und Gießen fusioniert wie auch privatisiert werden.