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Düsseldorf: Das Schreckliche verbirgt sich im Banalen

Düsseldorf : Das Schreckliche verbirgt sich im Banalen

„Mit 46 Jahren bin ich eigentlich noch zu jung für eine Retrospektive”, meint der belgische Maler Luc Tuymans von sich.

Und doch widmet ihm die Kunstsammlung NRW in ihrem Haus K21, dem früheren Landtagsgebäude im Ständehaus am Schwanenspiegel, in Zusammenarbeit mit der Londoner „Tate Modern” eine umfangreiche Präsentation.

Die freilich ist, wie der als deutscher Kommissar der Biennale von Venedig bekannt gewordene Hausherr Julian Heynen sagte, keine Übersichts-, sondern eine Einsichtsausstellung. Sie macht bekannt mit dem Malen und Denken des wohl einzigen Weltstars unter den zeitgenössischen Malern seines Landes.

Dass Tuymans überhaupt Bilder malt, verwundert aufs Erste. Denn bei der Pressekonferenz zu seiner Schau in der NRW-Landeshauptstadt frappierte der in Antwerpen lebende Flame mit dem Satz: „Bildern kann man heute nicht mehr trauen.”

Doch damit zielt der Künstler nicht auf sein Metier, sondern auf die von den Massenmedien erzeugten Bilder. Der Umkehrschluss könnte nun eine radikale Bildverweigerung sein - aber nicht bei Tuymans. Er wendet sich, einem modernen Historienmaler nicht unähnlich, der Welt von heute mit ihrer ganzen Grausamkeit zu.

Dabei hat seine Kunst aber weder etwas Dokumentarisches noch etwas Journalistisches. Eine plakative Darstellung eines furchtbaren Geschehens kann es auch nicht geben - der Schrecken ist viel zu schrecklich, als dass eine plakative Darstellung stimmig sein könnte.

Wer zum Beispiel „Die Gaskammer” von 1986 betrachtet, wird zwar aller Details wie Düsen an der Decke und eines Rostes im Boden gewahr. Aber erst einmal muss der Blick einen Schleier durchdringen, um Einzelheiten erkennen zu können. Selbst dann bleibt die menschenleere Szenerie unklar. Denn was wissen die Nachgeborenen schon vom Leid der Opfer?

Die Authentizität dieser Kunst besteht darin, dass es das Bild des Schrecklichen von seinen heutigen Spuren her reduziert. Die sind, wie das Gaskammer-Bild, erschreckend und banal zugleich. Aber gerade darum sind sie auch vor allem zweierlei: wahr und radikal gegenwärtig.

Wenn er sich geschichtlichen Themen zuwendet, wird Luc Tuymans zum Erinnerungsarchäologen. Er verdeutlicht die Dinge, indem er sie reduziert: „Our New Quarters” („Unser neues Quartier”), wie „Die Gaskammer” von 1986 datierend, basiert auf der Postkarte eines nach Theresienstadt Deportierten und zeigt im Hintergrund neben einem dürren Baum eine Architekturform, die fatal an die Nekropolen mit ihren Beisetzungsnischen auf italienischen Friedhöfen erinnert.

Dann wieder findet sich die Ebene des Banalen: „Der Architekt” (1997/98) basiert auf einem Urlaubsfoto, das den NS-Baumeister Albert Speer beim Skifahren zeigt. Aber seltsam: Auf Tuymans Bild sieht es so aus, als sei „Der Architekt” gerade im Eis eingebrochen. Eine Art von Kommentar? Die Begegnung mit diesen Bildern hinterlässt jedenfalls beim Betrachter Spuren.

Und der fragt sich dann beim Anblick der wie verschneit wirkenden „Wanderung”, ob die bleistiftdünnen Figuren tatsächlich nur spazieren gehen oder in die Deportation getrieben werden.

Im Übrigen fokussiert der Künstler aber nicht nur die nationalsozialistischen Verbrechen, sondern auch die der Gegenwart. So stellt Tuymans mit Bildern wie „Tschombé” und „Leopard” (2000) das mitunter recht blutige Ende der belgischen Kolonialherrschaft im heutige Zaire statt.

Das Fell des Raubtiers, ein Geschenk an den damaligen belgischen König Baudouin, steht für den feudale Grundzug solcher Machtverhältnisse.
Luc Tuymans, bis 16. Januar 2005 im „K21” der Kunstsammlung NRW, Düsseldorf, Ständehausstraße 1, Telefon: 0211/8381-600.

Öffnungszeiten: Di.-Fr. 10-18, Sa./So. 11-18, an jedem ersten Mittwoch im Monat 10-22 Uhr.

Eintritt: 6,50 Euro, erm. 4,50 Euro.

Katalog: 19,80 Euro.