Aachen : Das „Geburtstagskind” war in Hochform
Aachen Rund 700 Zuhörer drängten sich am Sonntagbeim Konzert zum 150-jährigen Bestehen des Aachener Sinfonieorchesters in der Kirche St. Nikolaus.
Generalmusikdirektor Marcus R. Bosch hatte nicht ohne Grund Anton Bruckners kraftvolle Sinfonie Nr. 8 c-Moll ausgewählt. In St. Nikolaus soll der Pfingstmontag auch in den nächsten Jahren ein „Bruckner-Tag” mit einem Matinee-Konzert sein.
Das Publikum applaudierte kräftig und geradezu euphorisch.Wenn Marcus R. Bosch, Aachens Generalmusikdirektor, für das Festkonzert zum 150-jährigen Bestehen des Sinfonieorchesters Aachen die 8. Sinfonie c-Moll von Anton Bruckner wählte, so kann er an eine örtliche Bruckner-Tradition anknüpfen, die 1934 im Internationalen Bruckner-Fest unter Peter Raabe ihren Höhepunkt fand.
Umso seltsamer, dass das neben der Fünften monumentalste Werk des Meisters, die Achte, seit der Wiener Uraufführung der Originalfassung 1939 unter Furtwängler in Aachen nur dreimal erklungen ist.
Das erste Mal Ende Oktober 1940 unter dem jungen Herbert von Karajan im alten Konzerthaus, das zweite Mal, als sich im Juni 1953 Felix Raabe im Stadttheater mit dem Werk verabschiedete, das dritte Mal im März 1965 unter dem gastierenden GMD der Württembergischen Staatsoper Stuttgart Ferdinand Leitner im Neuen Kurhaus.
Boschs Werkwahl war also sinnvoll. War es auch der Aufführungsort? Natürlich hat Bruckner seine Sinfonien für den Konzertsaal geschrieben, nicht für die Kirche, in der zu seiner Zeit Sinfoniekonzerte eine Unmöglichkeit waren.
Das heißt nicht, diese Musik wirke nicht im prunkvollen Ambiente und der meist guten Akustik süddeutscher oder österreichischer Barockkirchen besonders eindringlich. Aber St. Nikolaus in Aachen ist weder St. Florian noch Ottobeuren. Der gotische Hallenraum wird wegen seiner starken Halligkeit als Konzertsaal heute eher gemieden. Wenn die Probleme dennoch geringer waren, als befürchtet, so lag das wohl an dem guten Besuch.
Marcus R. Bosch bot alles andere als einen „Weihrauch-Bruckner”. Er setzte vielmehr auf beinahe dramatische Zügigkeit, was bereits die Spieldauer des Werkes verrät, benötigte er doch fast zehn Minuten weniger als Günter Wand in seinem berühmten Mitschnitt mit den Berliner Philharmonikern. Das kam dem ungemein geschlossen wirkenden Kopfsatz zugute, noch mehr den sehr leicht aus dem architektonischen Gefüge geratenden gewaltigen Finale.
Was bereits seinerzeit Boschs Mahler-Aufführung zeigte, erfuhr hier seine Bestätigung: Der Dirigent hat die Fähigkeit, große formale Zusammenhänge aufzuzeigen und unter Spannung zu halten.
Weniger befriedigte diese Zügigkeit im Adagio. Hier hätte mehr Gelassenheit die Musik freier ausschwingen und atmen lassen. Aber das ist wohl auch eine Altersfrage. Boschs symphonische Dispositionskunst steht jedenfalls außer Frage.
Wenn an manchen Tuttistellen vor allem in den Scherzo-Eckteilen und im Finale das erinnernde innere Gehör Stimmen ausfüllen musste, die im Klangschwall untergingen, so war das nicht Schuld des Dirigenten. Aachens verstärktes Sinfonieorchester präsentierte sich an seinem Ehrentag in Hochform.
Warmer, gespannter, intensiver Streicherklang, genau intonierendes Holz, scharfes, aber nie grelles Blech, das alles stellte der offenkundig peniblen Orchesterarbeit Boschs ein glänzendes Zeugnis aus.
Möge diese zu Recht mit begeistertem Beifall bedachte, imponierende Bruckner-Aufführung dem Orchester und seinen Konzerten sowie dem Förderkreis viele neue Freunde gewinnen.