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Neues Sachbuch von Paul Stänner: Wo Agatha Christie morden ließ

Neues Sachbuch von Paul Stänner : Wo Agatha Christie morden ließ

Paul Stänner begibt sich auf die Spuren der großen Kriminalautorin Agatha Christie in deren Heimat in Südengland. Im Mittelpunkt steht das Anwesen Greenway House, Christies Traum- und Idealhaus, in dem sie lebte, arbeitete und zu einer der meistgelesenen Schriftstellerinnen der Welt wurde.

Am liebsten möchte man direkt dorthin fahren. Der Süden Englands – die englische Riviera – hat einen legendären Ruf. Der zehrt vor allem von der Schönheit der Landschaft und romantischen Vorstellungen vom englischen Landleben. Der Berliner Reisejournalist Paul Stänner ist dort gewesen, vornehmlich in Torquay, angeblich „einer der schönsten Orte des Empire“. Der eigentliche Anlass aber war Agatha Christie, die dort geboren wurde und ganz in der Nähe in ihrem Traum- und Idealhaus lebte: Greenway House.

Stänner macht sich also auf die Spur der großen Kriminalautorin, die in dieser Gegend vielfach morden ließ. Er besichtigt Tatorte und trifft sich sogar mit Hercule Poirot, um das literarische Geschehen zu entschlüsseln. Leicht und launig schreibt Stänner über Agathas weitgehend glückliche Kindheit und darüber, wie sie als Apothekenhelferin in einem Hospital das Mischen von Giften lernte, wovon später viele ihrer Mörder profitieren sollten.

Und dann Greenway House, ein großes Anwesen, dessen Erwerb samt notwendigem Personal sich die mittlerweile schon erfolgreiche Autorin Ende der 30er Jahre leisten konnte, auch wenn sich damals noch nicht abzeichnete, dass die Gesamtauflage der Christie-Bücher einmal bei mehr als zwei Milliarden(!) Exemplaren liegen wird. Im Gegenteil: In den letzten Kriegsjahren war Christie sogar froh, dass das Haus von den Alliierten requiriert wurde und sie sich Geld für Instandhaltung sparen konnte. Richtig genossen hat sie es dann erst seit den 50er Jahren.

Paul Stänner: „Agatha Christie in Greenway House“ (Wagenbach), 116 Seiten, 17 Euro
Paul Stänner: „Agatha Christie in Greenway House“ (Wagenbach), 116 Seiten, 17 Euro

Stänner führt durch das Palais, beschreibt ausführlich die wichtigsten Räume, lenkt aufmerksam und sensibel den Blick auf viele Details. Und derer gibt es viele. Agatha Christie war offensichtlich eine passionierte Sammlerin, und ihr Haus ist voll von Erinnerungsstücken. Man erfährt viel über das Leben, die Arbeitsweise und das Werk der großen Kriminalschriftstellerin. Stänner erklärt „die klaustrophobische Grundkonstellation für alle Landhaus-, Eisenbahn- und Luxusdampfermorde“: räumliche Enge, schlechtes Wetter, böse Motive und gegenseitiges Misstrauen.

Hier hat jemand geschrieben mit der Liebe fürs Exzentrisch-Britische, mit Liebe zur englischen Landschaft und zur alten Zeit, als Morde noch unblutig, Täter und Detektive noch gut
gekleidet waren. Stänner hat feines Gespür für britische Ironie: „Man steht inmitten englischer Geschichte, denn zumeist wurden in den Dörfern als Erstes nicht die Kirchen, sondern die Pubs eingeweiht. Schließlich mussten die Arbeiter, die die Kirche bauen sollten, verpflegt werden: erst der Leib, dann die Seele. Erst das Bier, dann die Litanei.“

Dass der Wagenbach-Verlag das Buch in seiner Salto-Reihe veröffentlicht, passt zum Autor. So beginnt der sinnliche Genuss schon damit, dass man das in blutrotes Leinen gebundene Buch nur in die Hand nimmt. Alles in allem ein großes Vergnügen, was insofern keine allzu große Überraschung ist, als die Salto-Reihe immer zu exquisiten Entdeckungen einlädt.