Literatur-Nobelpreis : Wer folgt auf Tokarczuk und Handke?
Stockholm Fast 200 Kandidaten sind im Rennen für den prestigeträchtigsten Literaturpreis der Welt. Wer ihn bekommt, ist vorab ein großes Geheimnis. Unsere Redaktion hätte da ein paar Vorschläge.
Es hätte alles so entspannt laufen können nach dem großen Skandal: Wäre die Schwedische Akademie bei der Doppelvergabe der Literaturnobelpreise im vergangenen Jahr mit zwei grundsoliden Preisträgern auf Nummer sicher gegangen, dann wäre die schwere Krise mit all ihren internen Grabenkämpfen vermutlich ein für alle Mal beendet gewesen. Stattdessen wählte die altehrwürdige Institution in Stockholm neben Olga Tokarczuk außerdem den umstrittenen Peter Handke als Preisträger aus – und geriet damit abermals ins Kreuzfeuer der Weltöffentlichkeit.
„International betrachtet ist das eine mindestens mittelgroße Krise gewesen“, sagt der Kulturchef der schwedischen Tageszeitung „Dagens Nyheter“, Björn Wiman, über Handkes Auszeichnung. Ein Jahr nach dem Skandal um das mittlerweile ausgetretene Akademiemitglied Katarina Frostenson und ihren Ehemann Jean-Claude Arnault sei die Akademie von der einen Krise in die andere gestolpert. Wiman glaubt, dass das vonseiten der Akademie letztlich ein ausgestreckter Mittelfinger in Richtung ihrer Kritiker und der Medien gewesen sei.
Der Skandal bei der Vergabe-Institution des Literaturnobelpreises war bereits im November 2017 im Zuge der #MeToo-Enthüllungen ins Laufen gekommen, nachdem 18 Frauen öffentlich Anschuldigungen wegen sexueller Belästigung und Übergriffen gegen Arnault vorgebracht hatten. Wegen Vergewaltigung wurde er Ende 2018 zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Zudem warf die Akademie Frostenson und Arnault vor, die Preisträger vorab ausgeplaudert und so gegen ihre Geheimhaltungspflicht verstoßen zu haben. Das Resultat: 2018 wurde zunächst kein Literaturnobelpreis vergeben.
Die Liste ist streng geheim
Mit der Doppelbekanntgabe der Preisträger für 2018 und 2019 sollte im vergangenen Oktober dann alles gut werden. Die Auszeichnung der Polin Tokarczuk wurde auch allgemein gelobt – die des Österreichers Handke löste dagegen einen Sturm der Kritik und Proteste in Stockholm und darüber hinaus aus. Handke hatte sich im Jugoslawien-Konflikt stark mit Serbien solidarisiert und nach Ansicht von Kritikern die von Serben begangenen Kriegsverbrechen bagatellisiert oder geleugnet. 2006 hielt er bei der Beerdigung des sechs Jahre zuvor gestürzten serbischen Führers Slobodan Milosevic gar eine Rede.
Mittlerweile hat sich die Lage bei der Schwedischen Akademie beruhigt. Dass sie sich nun bei der Bekanntgabe des Preisträgers am Donnerstag ein neues Problem schaffen wird, damit rechnet Wiman nicht. „Ich glaube, dass sie eine sichere Wahl treffen werden“, sagt er.
197 nominierte Kandidaten kommen dafür in diesem Jahr infrage. Wer auf der Liste steht, ist streng geheim. Und wer am Ende den prestigeträchtigsten Literaturpreis der Welt mit einem Preisgeld von diesmal zehn Millionen Kronen (rund 950.000 Euro) erhalten wird, darüber lässt sich nur spekulieren. Eine Antwort gibt es erst, wenn der Ständige Sekretär Mats Malm am Donnerstag um 13 Uhr in Stockholm vor die Presse treten wird.
An potenziellen Preisträgern mangelt es nicht. Auch unsere Redaktion hat ein paar Vorschläge, die Sie hier lesen können:
Unabhängig von allen Spekulationen ist sich Wiman nach der Wahl einer Polin und eines Österreichers im Vorjahr aber vor allem in einem sicher: „Es wird diesmal kein Preisträger aus Europa.“