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Sachbuch „Bildung – Eine Anleitung“: Was Bildung leisten kann

Sachbuch „Bildung – Eine Anleitung“ : Was Bildung leisten kann

Altmodisch, langweilig, überflüssig – das sind die heute oft verwendeten Attribute für einen Schlüsselbegriff europäischer Kultur: Bildung. Es sei mühsam, sie sich anzueignen, sie erzeuge keinen Mehrwert, ihre Inhalte seien leicht zu „googeln“.

Der 1965 in Hamburg geborene „Zeit“-Journalist Jan Roß widerlegt diese Vorurteile in seiner mit großem Gewinn und Vergnügen zu lesenden „Anleitung“ zu dem, was er und was man allgemein unter „Bildung“ versteht.

Die Sicht des Autors auf Bildung ist subjektiv. Andere würden Naturwissenschaften und Technik zu ihren wichtigeren Bereichen zählen, wiederum Andere vielleicht auch tiefer in die Geschichte eindringen oder Film, Geografie sowie fundamentale Regeln des Rechts oder wichtiger Sportarten dazu zählen. „Allgemeinbildung“ enthält mehr als „Bildung“. Man erwirbt sie durch Erziehung und lebenslange Pflege, sie ist Kernbestand jeder Kultur und des jeweiligen Wertekanons.

Roß hat Klassische Philologie, Philosophie und Rhetorik studiert und beginnt – wie selbstverständlich – bei den Alten Griechen. Er ruft das „Glaubensbekenntnis zweier Jahrhunderte“ seit Winkelmann auf, um wenig später die Bibel, vor allem das Alte Testament, in einer einzigartigen Interpretation als „Entwicklungsroman der Menschheit“ nachzuerzählen. Drei Weltreligionen hängen an diesem Roman, dessen Episoden zum Grundbestand „unserer“ Bildung zählen.

In Indien, wo Jan Roß fünf Jahre als Korrespondent der „Zeit“ tätig war, gehören andere Mythen dazu, in China oder Japan wieder andere, in Afrika ganz verschiedene. Der Königsweg zur Bildung führt über Bücher, nicht unbedingt über die, die nach Lehrplänen „durchgenommen“ werden müssen. Auch Triviales öffnet Türen zu Bildung, wenn es das Lesen zur Gewohnheit macht. Roß zitiert den „Renaissancemenschen“ und einflussreichen Ökonomen Maynard Keynes: „Man soll so selbstverständlich und mühelos lesen, wie man atmet.“

Roß erfüllt seinen im Untertitel des Buches formulierten Anspruch, indem er eine kluge Anleitung gibt: „Das Erste und Wichtigste, was man zum Lesen lernen muss, sind nicht irgendwelche Tricks und Techniken, nicht einmal Literaturgeschichte. Sondern innere Freiheit. Die Freiheit, zu einer aufdringlichen Realität nein zu sagen. Der Rest findet sich dann schon.“

Immer würzt Roß sein Lob der Bildung mit Beispielen. Er entnimmt sie aus der Bildenden Kunst wie aus der Musik, die nicht nur „klassisch“ sein muss. Wie Wissenschaft und Philosophie „die Welt auf den Kopf stellen“, erzählt er genauso kenntnisreich und interessant, wie er „Freiheit lernen“ als wesentliches Ziel seiner kleinen Staatsbürgerkunde benennt.

Die kulturelle Liberalität das Autors, der alles andere als ein Kommunist ist, lässt ihm die Freiheit, Anna Seghers zu bewundern oder Karl Marx, Rosa Luxemburg oder den DDR-Autor Stephan Hermlin. Das ganze Buch legt Zeugnis von der gleichen inneren Freiheit des Autors ab und bereitet die manchmal überschwängliche Freude, die er durch Bildung verheißt. Es erfüllt auf sehr schöne Weise seinen eigenen Anspruch.

(halo)