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Roman „Die guten Tage“ von Marco Dinic, 240 Seiten, Zsolnay

Roman von Marco Dinic : „Die guten Tage“ nimmt den Leser mit auf die Balkanroute

In seinem Debütroman nimmt der serbische Autor Marko Dinić den Leser mit auf die Balkanroute – in entgegengesetzter Richtung. Man begleitet den namenlosen Erzähler auf seiner Fahrt im sogenannten Gastarbeiterexpress, einem Bus, der in regelmäßigen Abständen zwischen Österreich und Serbien verkehrt.

Die Hauptfigur ist auf dem Weg in seine Heimatstadt Belgrad, um dort der Beerdigung seiner Großmutter beizuwohnen. Sie war es vor zehn Jahren, die ihm mit Hilfe ihres Geldes die Flucht nach Wien ermöglicht hat. Der Kontakt zu seinen Eltern hat darunter gelitten, ist fast gar nicht mehr vorhanden. Die Totenfeier ist somit das erste Mal nach einem Jahrzehnt, dass er seinem verhassten Vater wieder gegenübersteht.

Während der neun Stunden langen Busfahrt erinnert sich der Erzähler an seine letzten Tage in Belgrad zurück. An die Schule, die er mehr geschwänzt als besucht hat, an seine trostlosen Zukunftsaussichten und die seiner Mitschüler, an seinen Vater, der die serbische Politik bedingungslos unterstützte und von Hass und Gewalt ergriffen war. Auch bei seinem geplanten Neuanfang in Wien kann der Erzähler seine Heimat nicht von sich ablegen, sich nicht von ihr distanzieren.

In dem Viertel, in dem er lebt, ist der osteuropäische Einfluss groß: „Abgeschottet durch ihren ganz persönlichen, aus Nationalismus, Stolz und Vorurteil geformten Glaskäfig, träumten die Leute hier von einem ganz anderen Abschnitt der Donau, einem ganz eigenen Europa.“ Und mittendrin der Erzähler, gefangen zwischen Vergangenheit, politischem Idealismus und Familie.

Marko Dinić gelingt es, durch seine bildhafte, von Vergleichen geprägte Sprache eine dichte Atmosphäre aufzubauen, die Beklemmung, Hass, Gewalt und Aussichtslosigkeit auf den Leser überträgt. Der Roman steckt voller Politik und zeigt ein zerrüttetes Serbien und besonders den Kampf eines Einzelnen, seinen Platz zwischen all den Widersprüchen zu finden.

(lena)