„Mehr als banale Verbindungen“ : Das haben Star Wars und die Bibel gemeinsam
Aachen Was haben Jesus und Luke Skywalker gemeinsam? Wie lassen sich Jedis mit Jüngern vergleichen? Antworten liefern RWTH-Professor Simone Paganini und seine Ehefrau Claudia in ihrem neuen Buch.
In den Regalen in Simone Paganinis Büro stehen unzählige Bibeln. Verschiedene Ausgaben, unterschiedliche Sprachen, dazu Literatur – über die Bibel. Irgendwo dazwischen: ein feuerrotes Lichtschwert, gehalten von Kylo Ren, Bösewicht in der Sequel-Trilogie der Star-Wars-Saga. Die Figur ist etwa zehn Zentimeter groß, der Kopf samt maskiertem Gesicht wippt. Paganini präsentiert sie stolz: „Ich sammle diese kleinen Star-Wars-Sachen, zu Hause habe ich jede Menge davon aus Lego.“ Paganini ist Fan, ganz offensichtlich. Und er ist Professor für Biblische Theologie an der RWTH Aachen.
Beruf und Leidenschaft hat der 49-Jährige gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Medienethikerin Claudia Paganini, jetzt zusammengeführt. „Im Namen des Vaters, des Sohnes und der Macht“ erscheint 45 Jahre nach der Premiere des ersten Star-Wars-Films. „Die Bibel ist ein Werk von Weltformat, dasselbe gilt für Star Wars. Es gibt viele Parallelen“, sagt Simone Paganini. Die Gemeinsamkeiten haben die beiden Autoren in ihrem neuen Buch versammelt.
Da wäre zum Beispiel die Macht. Jedi-Meister Obi-Wan Kenobi beschreibt sie im ersten Star-Wars-Film als ein Energiefeld. Es erzeuge alle lebenden Dinge, umgebe und durchdringe sie. Eine Kraft, die für Gleichgewicht sorgt und damit ein „geradezu perfektes Pendant zu jenem Gott, den wir in der hebräischen Bibel, im Alten Testament, kennenlernen“ ist, stellen Paganini und seine Frau fest.
Da sind auch die Lichtschwerter, mit denen sich Jedis und Sith in den Filmen bekämpfen. Mit diesen Waffen standen laut Simone und Claudia Paganini „im übertragenen Sinn“ schon die Tempelritter im Mittelalter ihren Feinden gegenüber. „Lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts.“ (Römer, 13,12). Die Templer hätten unter anderem mit diesen Worten ihre Schwerter geweiht, schreiben die beiden Autoren. Die Verse könnten aus einem Star-Wars-Drehbuch stammen, doch sie stammen aus den Briefen des Apostels Paulus an die Römer.
Derartige Gemeinsamkeiten gibt es reihenweise. So tritt Anakin Skywalker in Star Wars als Auserwählter auf – ganz so wie Jesus im Neuen Testament. Während der Menschensohn den Versuchungen des Teufels bei einem 40-tägigen Wüstenaufenthalt widerstehen kann („Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.“ Matthäus 4,10), verfällt Anakin der dunklen Seite und verwandelt sich in Darth Vader. Auch die Rolle der Frauen in Star Wars und der Bibel stellen Simone und Claudia Paganini gegenüber. Was haben Prinzessin Leia und die biblische Sarah gemeinsam? Was unterscheidet Rey, die Heldin in der Sequel-Trilogie, von den selbstbewussten Frauen im Alten Testament? „Star Wars spiegelt die Entwicklung der Frauen in westlichen Gesellschaften wider“, sagt Simone Paganini.
Star Wars gilt als das finanziell erfolgreichste Filmprojekt aller Zeiten, ein Kulturgut, wie Paganini sagt. Die neun Hauptfilme verteilen sich auf drei Trilogien. Drei mal drei – ein Schema, das auch Paganinis 127 Seiten langes Buch strukturiert. So gibt es dort drei Teile mit jeweils drei Kapiteln. Der Aufbau ist gleichzeitig aber auch angelehnt an den Dreiklang, der in der Bibelwissenschaft zur Untersuchung von Texten eingesetzt wird: Einleitungsfragen, Exegese und Theologie.
„Ich sehe Star Wars nicht als religiösen Film. Ich sehe Star Wars als Film, der viele religiöse Themen aufgreift und versucht, sie so zu destillieren, dass sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden“, sagte George Lucas in einem 1999 geführten Interview. Die religiösen Motive im Weltraumepos sind offensichtlich. Viele von ihnen hat der Drehbuchautor, Regisseur und Produzent bewusst inszeniert. „Es geht in unserem Buch aber nicht nur um banale und witzige Verbindungen“, betont Paganini. Er und seine Frau blicken ganz besonders auch hinter die Kulissen, dorthin, wo Gemeinsamkeiten alles andere als naheliegen.
„George Lucas hat mit Star Wars Science-Fiction neu definiert und ein Genre revolutioniert. Damit hat er dasselbe gemacht wie die Autoren des Markusevangeliums, als sie mit dem Wort Evangelium das Genre Biografie neu definiert haben. Diese Parallele finde ich extrem spannend“, sagt Paganini.
Eine weitere Ähnlichkeit lässt sich mit Blick auf die sogenannte Kanonfrage feststellen. Über die „reine Lehre“ diskutieren längst nicht mehr nur Christen, sondern auch Anhänger des Star-Wars-Universums, zu dem neben den Filmen auch Comics, Romane und Zeichentrickserien gehören. Während das, was zur Erzählung dazuzählen darf, für die Bibel geklärt scheint, herrsche zu der Frage im Zusammenhang mit Star Wars noch keine Einigkeit, konstatieren Simone und Claudia Paganini.
Fest steht hingegen: Star Wars ist nicht das einzige moderne Werk mit Bezügen zur Bibel. Die moderne westliche Kultur ist laut Simone Paganini so sehr geprägt von den Ideen und Botschaften der Heiligen Schrift – die wiederum selbst geprägt ist von assyrischen und babylonischen Erzählungen sowie von Autoren der klassischen Antike wie Homer – dass es nur wenig Literatur gebe, die sich nicht mit der Bibel vergleichen ließe. „Der Kampf Gut gegen Böse, der Schurke, der die Prinzessin heiratet: Das sind Motive, die immer wiederkehren. Sie werden immer wieder nacherzählt. Das Spannende daran ist, dass dadurch unterschiedliche Generationen aus unterschiedlichen Kulturen Zugang zu diesen Motiven erhalten“, erläutert Simone Paganini. Star Wars sei eben mehr als „nur ein Film“. So wie das Paganini-Werk mehr als bloß eine Aneinanderreihung von Parallelen ist.
Denn Paganini und seine Frau regen in ihrem Buch auch dazu an, über Gott und die Welt nachzudenken. „Das ist letztlich unser Ziel“, sagt der Theologe. Mit Populärwissenschaft könne er mehr Menschen für die Themen, die ihm wichtig sind, begeistern als mit Fachliteratur. „An meiner Habilitationsschrift habe ich fünf Jahre gearbeitet. 450 Seiten voller hebräischer und akkadischer Worte. Das haben vielleicht 20 Menschen auf dieser Welt gelesen.“
Kylo Ren ist nicht die einzige Star-Wars-Figur in den Regalen in Paganinis RWTH-Büro. Der Theologe präsentiert auch Grogu, einen Außerirdischen aus der Star-Wars-Fernsehserie „The Mandalorian“, ganz stolz. Vollständig ist seine Sammlung allerdings nicht. Seine Frau habe es bislang geschafft, zu verhindern, dass er sich „das größte Lego-Ding, das es gibt“ kaufe: ein Modell vom Millennium Falken – das Raumschiff, das Han Solo durchs All steuerte. Paganini lacht und sagt dann: „Früher oder später wird es passieren.“