Letzter Schultag in Kaiser-Wilhelmsland : Sachbuch von Matthias Heine überzeugt
Aachen Elisabeth II. von Sachsen-Coburg und Gotha: So könnte die Queen heute heißen, wenn es nicht den Ersten Weltkrieg gegeben hätte. Denn erst im Jahr 1917 wurde das britische Königshaus in Windsor umbenannt.
Zu unpatriotisch erschien der deutsche Familienname in einer Zeit, da man gegen die Deutschen in einem mörderischen Krieg kämpfte. Jede Verbindung mit der anrüchig gewordenen pickelhaubigen Verwandtschaft musste ausgemerzt werden. Mit dem Familiennamen entledigte sich König Georg V. auch schnell noch aller deutscher Orden und Ehrenzeichen, die er einmal erhalten hatte. Sein Cousin Ludwig von Battenberg nannte sich fortan auch nur noch Mountbatten.
Aber nicht nur das englische Königshaus erfuhr damals eine Namensänderung, auch der Deutsche Schäferhund durfte nun nicht mehr German Shep- herd heißen, sondern wurde in Alsatian (Elsässer) bzw. Alsatian Wolf Dog umbenannt. Die Namensänderung wurde offiziell erst Jahrzehnte später rückgängig gemacht. Der patriotische Furor machte seinerzeit auch vor vielen im Ausland beliebten deutschen Spezialitäten nicht halt. In Australien etwa fand man die süßen Berliner plötzlich unappetitlich und nannte das Gebäck jetzt nur noch Kitchener Bun. So heißen sie noch heute. Die Kombination aus Brötchen und Wurst war in den USA vor dem Ersten Weltkrieg als Frankfurter bekannt. Mit dem Kriegseintritt sollte daraus die „liberty sausage“ werden. Die überkandidelte Bezeichnung hat sich aber nie richtig durchgesetzt, Hot Dog war da eingängiger. Sauerkraut und Hamburger überlebten dagegen die Kriegswirren.
In seinem Buch „Letzter Schultag in Kaiser-Wilhelmsland“ geht Matthias Heine einem nur wenig bekannten Aspekt deutscher Geschichte nach: Der Erste Weltkrieg hatte große Auswirkungen auf die deutsche Sprache und ihren Einfluss. Mit ihm begann vor allem der Niedergang des Deutschen als Wissenschaftssprache. Seit Ende des 19. Jahrhunderts war Deutsch neben Englisch und Französisch die führende Wissenschaftssprache. Doch mit dem Krieg wurden deutsche und österreichische Wissenschaftler boykottiert und mit ihnen ihre Sprache.
Die Niederlage 1918 bedeutete große Gebietsverluste. Das deutschsprachige, ehemals österreichische Südtirol wurde italienisch, es war der Beginn eines jahrzehntelangen Sprachkampfes. Deutschland verlor seine Kolonien von Afrika bis zum Südpazifik. Dass der Kaiserin-Augusta-Fluss oder der Prinz-Heinrich-Hafen in Neuguinea wieder von der Landkarte verschwanden (ein Bismarckgebirge gibt es dort aber heute noch), hat sicherlich nur wenige berührt. Problematischer war es für die deutschstämmige Bevölkerung in den USA, in Kanada oder Australien. Sie mussten viele ihrer deutschsprachigen Publikationen einstellen und Vereine auflösen. Orte, die nach deutschen Städten wie Berlin hießen, wurden teilweise unter gewalttätigen Drohungen umbenannt. Doch gibt es in den USA heute immerhin noch 20 Orte, die den Namen der Hauptstadt tragen.
Im Ersten Weltkrieg entstanden jedoch auch neue Wörter, die wir heute oft verwenden, ohne dass wir uns ihrer ursprünglichen Bedeutung bewusst sind: Trommelfeuer, Materialschlacht, Grabenkampf oder „auf Tauchstation gehen“ haben sich von ihrem kriegerischen Ursprung weitgehend gelöst. Der „Grabenmantel“ wurde als Trenchcoat in die deutsche Sprache übernommen. „Einen Zahn zulegen“ oder „verfranzen“ waren ursprünglich technische Begriffe aus dem Krieg, und „Nullachtfünfzehn“, das wir heute für durchschnittlich verwenden, war die Nummer eines massenhaft verbreiteten Maschinengewehrs.