Roman : „Jemand musste Josef K. verleumdet haben . . .“
Die gesamte Weltliteratur von Homer bis heute auf nur gut 260 Seiten darstellen? Geht das? Das müsste wohl ein kümmerlicher Versuch bleiben, wenn sich Peter André Alt in seinem lehrreichen und lesenswerten Buch nicht nur mit einem ganz speziellen Ausschnitt beschäftigen würde: dem berühmten ersten Satz.
Allein wegen der zahlreichen Zitate macht das Buch des Literaturwissenschaftlers und Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz schon Spaß. Friedrich Hölderlins Vorrede des „Hyperion“ etwa beginnt so: „Ich verspräche gerne diesem Buche die Liebe der Deutschen.“ Da ist bereits der skeptische Grundton zu finden, der dann in der späteren Romanhandlung ausgearbeitet und begründet wird. Viele einprägsame Beispiele dieser Art finden sich im Buch.
So unterhaltsam die Lektüre dieser schönen ersten Sätze auch ist, Alts Buch lebt nicht von einer reinen Zitate-Huberei. Als Literaturwissenschaftler systematisiert er vielmehr mehrere Typen erster Sätze, denen allen gleich ist, dass sie den Leser animieren sollen weiterzulesen. Ihm selbst gelingt das durchaus: „Am Beginn jeder Erzählung steht ein Verführungsversuch“, lautet sein gelungener Beginn. Auf diese Weise angefixt, lernt man im Weiteren viel über erste Sätze – beispielsweise als Ort- und Zeitgeber, Spannungserzeuger oder Stimmungsmacher.
Ein eigenes Kapitel widmet Alt allerdings auch den weniger prägnanten ersten Sätzen, wie dem aus Hesses „Narziß und Goldmund“. Er ist allerdings viel zu lang, um ihn hier zu zitieren. Alt hält ihn jedenfalls für „ästhetisch missglückt“. Übrigens findet sich auch der Beginn von Hesses „Siddharta“ in seiner Abteilung „Kitsch und Triviales“ wieder.
Dieses Buch hat nur einen einzigen winzigen Nachteil. Es macht so viel Lust auf all die vorgestellten großartigen und treffend formulierten Sätze, dass man nur zu gerne wüsste, wie die Bücher weitergehen und sie gleich alle lesen möchte. Und das dürfte schwierig werden.
„Jemand musste Josef K. verleumdet haben . . .“ von Peter-André Alt, 262 Seiten, 26,95 Euro, C. H. Beck