Juli Zehs „Gebrauchsanweisung für Pferde“ : Fundiertes Sachbuch mit Spaß am Lesen
Frauen können ein Leben lang ein Pferdemädchen bleiben – wie die Queen. Auch Juli Zeh ist so ein Fall. In «Unterleuten», ihrem Roman über das moderne Landleben, klingt das schon an.
Der Pferdefrauen-Mann Frederik sucht darin im Internet beim „Rossfrauenforum“ nach Überlebensstrategien. Wie wird man damit fertig, wenn im Leben einer Frau so gut wie nichts so wichtig ist wie ein Hengst namens Bergamotte? Das Konzept heißt „distanzierte Anteilnahme“. Also in etwa: interessiert sein, aber nicht heucheln und sich an den Stallgeruch der Frau gewöhnen.
Juli Zehs „Gebrauchsanweisung für Pferde“ ist ein fundiertes Sachbuch, das über weite Strecken auch den Lesern und Leserinnen Spaß macht, die in ihrem Leben noch keine Hufe ausgekratzt haben. Das liegt daran, dass Juli Zeh zugleich unterhalten und analysieren kann. Man lernt, was ein „TT“ ist – ein „Turniertrottel“, der Frauen die Ausrüstung hinterherträgt. Oder welche Farben es bei Pferden gibt und wo auf dem Pferderücken die Kruppe liegt. Wichtige Lektion: Pferdemädchen sind nicht zimperlich. „Gerade am Anfang fällt man häufig runter. Das ist gewiss nichts für Heulsusen.“
Das Buch ist auch „Pferdisch für Anfänger“. Es erzählt viel über Menschen, die Tiere und das Schreiben. Was einen nicht interessiert, kann man überblättern. Dann verpasst man aber vielleicht Pferdephilosophie, etwa, darüber nachzudenken, wie sich Pferde und Menschen unterscheiden – im Leben im Hier und Jetzt. „Anders als bei vielen Menschen kreist bei ihnen kein unkontrolliert ratternder Verstand ständig ums Hätte-Wäre-Würde.“
Getrödelt wird nicht
Zehs Pensum ist fast einschüchternd. Die Volljuristin und promovierte Völkerrechtlerin hat nach dem Bestseller „Unterleuten“ von 2016 bis heute gleich zwei weitere Romane veröffentlicht. Gerade wurde die 44-Jährige zur ehrenamtlichen Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg gewählt. Und sie ist ausgebildete Pferdeverhaltenstherapeutin. Sie könnte also auch mit Pferden Geld verdienen.
Wie macht Juli Zeh das bloß alles? Zwei Antworten finden sich im Buch: Sie sitzt in ihrem Haus im Havelland schon früh zwei Stunden am Laptop, wenn ihr Mann und die Kinder noch schlafen. Trödeln im Internet mit Mails oder Facebook hat sie sich abgewöhnt. Halterin von gleich drei Pferden (Neo, Kasimir und Pony) zu sein, das verlangt Disziplin.
Sie hatte früh eine Leidenschaft für Pferde. Aber in ihrem Leben gab es eine lange pferdefreie Zeit mit großer Sehnsucht. Die Eltern sagten Nein. Was wäre passiert, wenn die Eltern ihr den Wunsch erfüllt hätten? Vielleicht wäre sie völlig in die Pferdewelt abgetaucht, so Zeh. Sie hätte wahrscheinlich große Teile der Pubertät verpasst und wäre nicht jahrelang unglücklich verliebt gewesen. Die Trennung der Eltern hätte sie möglicherweise leichter genommen. „Vielleicht wären mir Magersucht und Drogenexperimente erspart geblieben.“
„Das höchste Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde.“ Diesen Satz aus dem Mädchen-Poesiealbum interpretiert Juli Zeh zum Schluss neu. „Das höchste Glück der Erde liegt nicht auf dem Rücken von irgendwem. Es liegt in der vollkommenen Wahrnehmung des jeweiligen Augenblicks. Im Wunder unserer gemeinsamen Existenz.“