„Ein Leben und eine Nacht“ von Anne Griffin : Ein Roman über Liebe und Verlust
Aachen Es beginnt mit einer simplen Szene: Ein 84-jähriger Ire sitzt an einer Hotelbar vor einem Glas Stout. Zuerst mit dem irischen Bier und später mit erlesenen Malt Whiskey will Maurice Hannigan an diesem Abend fünf Mal das Glas erheben – auf die fünf Personen, die ihn begleitet und verändert haben.
Was sich im ersten Moment langatmig anhört, ist aber ein packender und berührender Roman, der in Form einer Zwiesprache zwischen dem alten Mann und seinem Sohn Kevin, der mit seiner Familie in der USA lebt, geschrieben ist. In ruhigem Ton und schnörkellos die schicksalhaften Begegnungen und Erlebnisse des Protagonisten.
Zuerst erinnert er sich an seinen Bruder Tony, der früh starb. Er war sein Anker und sein Vorbild. Er stärkte Maurice den Rücken, wenn Thomas Dollard, der wohlhabende Sohn der Nachbar-Farm, auf der die mittellosen jungen Männer arbeiteten, den Bruder demütigte. Ein Toast geht auch auf seine Tochter Molly, die sein Sohn Kevin nie kennenlernte, da sie kurz nach der Geburt starb. Auf Noreen, die geistig behinderte Schwester, die seiner Frau Sadie viel bedeutete, stößt er an und natürlich auf Sadie selbst und seinen Sohn Kevin. Für Sadie hat er sich das Beste aufgehoben, einen Midleton Whiskey. Seit sie nicht mehr lebt, geht es ihm erbärmlich. Hannigan, der in all den Jahren Stärke und Mut zeigte, sich zu einem angesehenen und wohlhabenden Farmer entwickelte, findet keinen Weg, mit diesem Verlust umzugehen. Doch auch dieses Mal wird er die Konsequenz ziehen – dann, wenn er all die Momente der Freude und des Erfolgs, des Stolzes und des Zweifelns erzählt hat.
Die Autorin mutet dem Leser viele Details zu und führt in die Abgründe von Maurice Gefühlsleben. Dennoch gelingt es ihr dank präziser Beobachtungen und einfacher Struktur des Romans (fünf Kapitel, die jeweils einer Person gewidmet sind), die einzelnen Geschichten geschickt zu einem lebendigen Porträt von Maurice Hannigan zu verweben. Ein Toast auf Maurice und die Autorin.