Branche auf der Buchmesse : Virtuelle Realitäten und ein Sonderzug aus dem Norden
Frankfurt Nach Jahren des Jammerns schöpfen die Verlage ein bisschen Hoffnung: Die Verkaufszahlen ziehen wieder an. Auf der Frankfurter Buchmesse muss die Branche die Zukunft im Blick haben.
Die Norweger kommen. Mit dem Zug. Inklusive Prinzessin. Das macht dem diesjährigen Ehrengast der Frankfurter Buchmesse so schnell keiner nach. Wenn alles läuft wie geplant, rollt zur Eröffnung am kommenden Dienstag am Frankfurter Hauptbahnhof der „Literaturzug“ ein. An Bord: Kronprinzessin Mette-Marit und zwei Dutzend der bekanntesten Autoren ihres Landes.
An die 100 norwegische Schriftsteller wollen bis zum 20. Oktober zur Buchmesse kommen, weiß Margit Walsø, Direktorin von Norwegian Literature Abroad. Zu den Gästen zählen Krimiautor Jo Nesbø, Maja Lunde („Die Geschichte der Bienen“) oder Erik Fosnes Hansen („Choral am Ende der Reise“). 250 Bücher aus Norwegen werden 2019 ins Deutsche übersetzt.
Der Gastland-Auftritt steht unter dem Motto „Der Traum in uns“. Im Pavillon wollen die Norweger eine „imaginäre Geografie der norwegischen Literatur“ zeichnen, deutet Walsø an. Bei der Eröffnungsfeier werden neben Norwegens Ministerpräsidentin Erna Solberg auch Karl-Ove Knausgård und Erika Fatland als literarische Redner sprechen.
Das Gastland genießt stets die größte Aufmerksamkeit, ist aber nur ein Teil der Buchmesse. Insgesamt erwartet Buchmessen-Direktor Juergen Boos etwa 7500 Aussteller aus 150 Ländern in Frankfurt. Damit läge die Messe auf Vorjahresniveau. Der Ticket-Vorverkauf laufe sogar besser, hatte Boos schon im September gesagt. 2018 waren an den fünf Messetagen mehr als 285.000 Besucher gekommen.
Die Messe ist inzwischen so divers, dass man kaum noch einen Schwerpunkt ausmachen kann. Das ist durchaus gewollt: „Wie ein Brennglas bündelt die Frankfurter Buchmesse die großen Themen der Gegenwart“, sagt Boos. Wichtig ist ihm, dass von der Buchmesse auch ein gesellschaftliches Signal ausgeht. Eine ganze Reihe von Kampagnen und Veranstaltungen haben den Kampf um die Meinungsfreiheit im Blick.
Ein weiteres Thema: die Erweiterung des Erzählens. Bewegte Bilder bekommen mehr Raum, virtuelle Realität und Künstliche Intelligenz werden erstmals breiter behandelt. Dafür wird das Frankfurter Festival „Biennale des Bewegten Bildes“ in den Messebereich „The Arts+“ integriert. Zu sehen sind 360-Grad-Ausstellungen, Erlebnisse hinter VR-Brillen und experimentelle Digitalkunst. Ein weiterer Trend sind Audioprodukte. Erstmals hat die Messe für Hörbücher oder Podcasts einen eigenen Bereich geschaffen.
Anders als in den Vorjahren gibt es aktuell hoffnungsvolle Signale für Buchhändler und Verlage: Zum ersten Mal seit 2012 ist die Zahl der Buchkäufer in Deutschland wieder gestiegen. Kauften 2017 noch 29,6 Millionen Menschen mindestens ein Buch im Jahr, waren es 2018 bereits wieder 29,9 Millionen. Auch das laufende Jahr sei erfolgreich gestartet, sagt der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Alexander Skipis: Der Umsatz stieg bis August 2019 um 2,9 Prozent. „Der Funke hat die Glut zum Lodern gebracht“, meint Skipis. „Für den Rest des Jahres sind wir sehr optimistisch.“
Damit der Trend sich fortsetzt, will die Messe „Zukunftsthemen“ fest im Blick behalten: neue Technik, neue Vermittlungsformen, neue Lesergruppen. Für Anbieter technischer Lösungen wurde eine „Start-Up Area“ ins Leben gerufen. Es gibt Foren für Bookstagrammer, Buchblogger und Booktuber. Jugendliche bekommen neben den „Kids“ ein eigenes Areal für die „New Generation“.
Von Thomas Gottschalk bis Dirk Nowitzki
Während die Messe unter der Woche den Fachbesuchern vorbehalten ist, lockt das Publikumswochenende mit Stars: TV-Moderator Thomas Gottschalk, Waldexperte Peter Wohlleben, Krimiautorin Nele Neuhaus und Klimaaktivistin Luisa Neubauer sind beispielsweise dabei. Die deutsche spielt gegen die norwegische Autoren-Nationalmannschaft, 50 Jahre nach der deutschen Veröffentlichung gibt es ein „Herr der Ringe“-Event.
Noch stärker als in den Vorjahren drängt die Messe in die Innenstadt. Unter dem Titel „Bookfest“ tritt sie neuerdings selbst als Veranstalter auf. 30 Events finden auf der Messe, 50 außerhalb statt. Unter anderem sind Ken Follett, Margaret Atwood und Elif Shafak dabei. Das städtische Lesefest „Open Books“ ist so groß wie nie: 172 Veranstaltungen mit 240 Autoren an rund einem Dutzend Orten. Eines der Highlights außerhalb des Messegeländes: Sportlegende Dirk Nowitzki stellt im Schauspiel seine Biografie vor.
Zum ersten Mal können Besucher am gesamten Publikumswochenende (19. und 20. Oktober) auf der Messe Bücher kaufen. Lange war das nicht erlaubt, in den vergangenen Jahren durften die Verlage immerhin ab Sonntagmittag ihre Ware verkaufen. Für viele Gäste war das unverständlich, sie hätten am liebsten sofort zugeschlagen. Dem kommt die Messe nun nach. Günstiger sind die Bücher aber nicht, es gilt der Ladenpreis.