Neues Buch von Katja Kullmann : Bindungsangst, total ansteckend
Die Autorin und Journalistin Katja Kullmann rehabilitiert die Single-Frau: „Die singuläre Frau“, wie sie sie und sich nennt, sei keine Übriggebliebene, sondern die wahre Heldin der Moderne.
Mal wieder eine Party. Eine Frau, offenkundig allein, kommt ins Gespräch mit Leuten, die sie bis dahin nicht kannte. Irgendwann, nach zwei Bier, die Frage des unbekannten Gegenübers an sie: „Wieso bist du eigentlich Single?“ Hört sich gar nicht sooo schlimm an diese Frage, oder? Leserinnen und Leser von Katja Kullmans neuem Buch „Die singuläre Frau“ wissen aber, was alles darin mitschwingt; Mitleid, ungläubiges Erstaunen, gepaart mit der sicheren Erkenntnis, dass das Paarsein, gleich mit wem, dem Alleinsein vorzuziehen ist. Katja Kullmann – Journalistin, Autorin, Buchpreisträgerin, seit vielen Jahren selbst alleinstehend – hat Erfahrung mit Begegnungen dieser Art und gute Einfälle, wie man auf die „Monsterfrage“ antworten kann: „Und warum bist du nicht schlank“ gehört dazu. Oder zu einem Paar etwas in dieser Art: „Ihr beide seid fest zusammen? Ehrlich? Wie kommt das denn?“ Am schönsten ist aber diese Antwort: „Bindungsangst – die besonders ansteckende Form.“
Was hat man der Single-Frau nicht alles für Namen gegeben: „Mannweib“, „Monster“, „Zicke“, „Schlampe“, „Egomanin“, „Emanze“, „Katzenlady“, die Liste ließe sich weiterführen. Wahlweise ist sie männermordend, nymphoman oder frigide. Die Zuschreibungen der Gesellschaft sind diese: Hat die Single-Frau schlechte Laune, hat das mit ihrem Beziehungsstatus zu tun. Hat sie gute Laune, hat das ebenfalls mit ihrem Beziehungsstatus zu tun. Sie hat es wahlweise schwer, weil sie die Restfrau ist, die Übriggebliebene, oder sie macht es sich einfach, weil sie als Geliebte nur ihre eigene Wäsche wäscht. Fazit ist aber: Alles im Leben der singulären Frau, wie Kullmann sie im Laufe des Buches betiteln wird, ist auf die Abwesenheit eines Gegenübers zurückzuführen. Diesen immanenten Makel, den die Alleinstehende mit sich herumträgt, egal, wohin sie geht, möchte Katja Kullmann verwandeln: „Denn die Frau ohne Begleitung ist ein beeindruckendes Wesen. Ja, ich halte sie inzwischen für die eigentliche, die wahre Heldin der Moderne – eine entscheidende Pionierin des 20. und vielversprechende Protagonistin des 21. Jahrhunderts“, schreibt sie auf Seite 29 und schießt damit über das Ziel hinaus.
Denn die Geschichten, die Kullmann im Weiteren erzählt, sei es ihre eigene oder die von Schriftstellerin Virginia Woolf oder der französischen Publizistin Françoise Giroud (deren Buch „Ich bin eine freie Frau“ im Übrigen äußerst lesenswert ist!), sind keine Heldinnengeschichten, sondern solche von Frauen, die sich in den allermeisten Fällen das Alleinleben nicht vorgenommen haben; ihnen ist es „gewissermaßen unterlaufen“ – bisweilen sehr schmerzhaft. Nichtsdestotrotz schafft Kullmann einen neuen Blick auf die Frau ohne Begleitung, und das macht sie richtig gut: Eben weil sie keine Heldinnen und keine Diven beschreibt, sondern Frauen, die irgendwann im Laufe ihres Daseins feststellen, dass das Leben abseits der Beziehungsfrage noch andere spannende Inhalte bereithält. Was die Liebe anbelangt, berichtet Katja Kullmann vom Spielfeldrand aus, aber trifft von dort erstaunlich oft das Tor.
Ihr Essay, Erfahrungsbericht, Gesellschaftsstudie oder wie man es nennen soll, ist eine ziemlich wilde, manchmal leichtfertige Mischung aus Autobiografischem, Reportage, Statistik und Zitaten berühmter Single-Frauen aus mehreren Jahrhunderten. Nicht immer gelingt das klischeefrei, was dem Umstand geschuldet ist, dass Katja Kullmann selbst einer speziellen Bubble angehört, die sich mit den Stichworten „schreibende Akademikerin, Anfang 50, Großstadt“ umreißen ließe.
„Die singuläre Frau“ ist wie alle Kullmann-Bücher (2003 bekam sie für „Generation Ally“ den Buchpreis) locker und sehr witzig geschrieben. Es lässt sich cremig wie einen guten Pudding weglöffeln. Und als Leserin muss man zugeben: Man ist satt geworden und hat sich nur minimal überfressen, aber man weiß beim besten Willen nicht genau, wie sie diese fluffige Konsistenz hingekriegt hat.